Berlin (dpa) - Hausdurchsuchung und Einleitung eines Ermittlungsverfahrens: Für Jan Ullrich wird die Luft im Doping-Skandal um den spanischen Arzt Eufemiano Fuentes immer dünner.
Die Staatsanwaltschaft Bonn hat im Zuge ihrer Untersuchungen in der Affäre, in die neben Ullrich auch sein früherer Betreuer Rudy Pevenage (Belgien) und sein ehemaliger Team-Kollege Oscar Sevilla (Spanien) verwickelt sein sollen, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und die Villa des Tour-de-France-Siegers von 1997 in Scherzingen/Schweiz durchsucht. Im Rahmen der durchgeführten Razzia wurden insgesamt zehn Häuser und Geschäftsräume im In- und Ausland von einem Ermittlungsteam des Bundeskriminalamtes (BKA) durchsucht, darunter auch die Privat- und Geschäftsräume von Ullrich-Manager Wolfgang Strohband in Hamburg.
In der T-Mobile-Zentrale in Bonn nahmen BKA-Beamte Einsicht in Akten und Unterlagen des ehemaligen Arbeitgebers des Radprofis. «Wir waren da natürlich kooperativ», sagte Kommunikationsleiter Christian Frommert. Auch in Pevenages Haus in Gent/Belgien sollen Beamte angeklopft haben.
Nach seiner Hochzeit mit Sara Steinhauser am Wochenende befindet sich der 33-jährige Radprofi in den Flitterwochen und wurde in seinem Anwesen mit Blick auf den Bodensee nicht angetroffen, berichtete Strohband auf dpa-Anfrage. Ein Nachbar habe geöffnet. «Bei mir sind sie seit heute Morgen um 09.30 Uhr und beschlagnahmen Akten und Unterlagen. Sie sind immer noch nicht fertig. Das ist eine unvorstellbare Sache - meine Anwälte werden sich damit beschäftigen», sagte Strohband, der sich im Urlaub in Bad Gastein befindet.
«Die Staatsanwaltschaft hat nach einer Strafanzeige und intensiver Prüfung des Sachverhalts ein Ermittlungsverfahren gegen die Personen wegen des Verdachts des Betrugs eingeleitet. Mit den Ermittlungen ist das Bundeskriminalamt beauftragt. Auf Grund von Ermittlungen spanischer Strafverfolgungsbehörden wird den beschuldigten Personen vorgeworfen, verschiedene, im Radsport verbotene leistungssteigernde Mittel angewendet zu haben. Ein Beschuldigter soll dabei Hilfe geleistet und insbesondere Medikamente besorgt haben», hieß es in einer Pressemitteilung des Bundeskriminalamtes.
Unter dem Aktenzeichen 430 Js 936/06 hatten die Ermittler in Bonn, die in der vergangenen Woche ein Rechtshilfe-Ersuchen an die spanischen Behörden geschickt hatten, ein Verfahren wegen des Verdachts auf Betrug zum Nachteil des Rennstalls T-Mobile eingeleitet. Das Bonner Team hatte Ullrich wegen dessen Verwicklungen noch während der Tour de France fristlos entlassen. Die Staatsanwälte reagierten nach Informationen des Nachrichtenmagazin «Focus» auf eine Strafanzeige der Ex-Leichtathletin Britta Bannenberg.
Die heutige Professorin für Strafrecht und Kriminologie in Bielefeld hatte Ullrich und Sevilla sowie Berater Pevenage angezeigt, weil «der Sport in Deutschland sauber bleiben» müsse. Der 52-jährige Belgier, seit 1996 so etwas wie ein väterlicher Berater Ullrichs, soll nach Erkenntnissen der spanischen Polizei Doping-Mittel besorgt haben. Das spanische Doping-Netzwerk soll auch bis nach Thüringen und Niedersachsen reichen, wo die Staatsanwaltschaft Göttingen gegen einen Anästhesisten ermittelt.
Angesichts der für ihn dramatischen neuen Entwicklungen wog für Ullrich ein Sieg im Rechtsstreit vor dem Hamburger Landgericht gegen den Heidelberger Dopingexperten Werner Franke nicht besonders schwer. Franke darf nach einem Urteil der Pressekammer vom Mittwoch nicht mehr behaupten, der unter Dopingverdacht stehende Ullrich habe in einem Jahr Fuentes 35 000 Euro zur Anschaffung von illegalen Substanzen bezahlt. Franke hatte dies in einem TV-Interview gesagt und sich dabei auf Ermittlungsakten aus Spanien berufen. «Wir werden mit hundertprozentiger Sicherheit Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen», sagte Frankes Anwalt Michael Lehner.
Dem ehemaligen T-Mobile-Kapitän droht zudem weiter eine sportrechtliche Auseinandersetzung mit dem Schweizer Radsport- Verband, bei dem Ullrich seine Profilizenz gelöst hat. Der Verband wartet weiter auf beglaubigte Dokumente des Weltradsport-Verbandes UCI zur Doping-Affäre. Das bestätigte der dortige Geschäftsführer Lorenz Schläfli. «In ein paar Tagen sollten wir sie endlich haben. Dann zweifele ich nicht daran, dass das Material ausreicht, ein Verfahren gegen Ullrich zu eröffnen», sagte Schläfli. Ullrich droht als Wiederholungstäter bei einer Verurteilung eine lebenslange Sperre.
Trotzdem behauptet der gebürtige Rostocker weiter, dass ihm mehrere Angebote zur Fortsetzung seiner Karriere vorlägen. In einem «Bunte»-Interview bekräftigt er seine Absicht, im kommenden Jahr weiter professionell Rad zu fahren.