Bern/Berlin (dpa) - Die vorangegangenen Geburtstage dürften bei dem des Dopings verdächtigten Jan Ullrich entspannter verlaufen sein.
Das 33. Wiegenfest des gefallenen Radsport-Helden am 02. Dezember ist gekennzeichnet von beruflicher Ungewissheit und der Befürchtung, sich gegebenenfalls drei Prozessen auf sportlicher und zivilrechtlicher Ebene stellen zu müssen. Daran ändern auch nichts die Signale aus seiner nächsten Umgebung, die für optimistische Aufbruchstimmung und ein bevorstehendes Comeback stehen sollen: Neuer Anwalt, neuer Pressesprecher, Trainingsaufenthalte in Italien und Österreich und das Interesse verschiedener Teams.
Der Schweizer Verband Swiss Cycling bestätigte, weiter gegen den ehemaligen T-Mobile-Kapitän zu ermitteln. Da dürfte auch die neu geschaltete Internetseite «Freie-Fahrt-für-Ulle», auf der Unterschriften gesammelt und an den Weltverband UCI geschickt werden sollen, «um den unhaltbaren Zustand zu beenden und Jan Ullrich wieder fahren zu lassen», wenig helfen.
Für Klarheit in der zuletzt etwas verworrenen Nachrichtenlage um das bevorstehende Verfahren beim Schweizer Verband sorgte Vorstandsmitglied Bernhard Welten. «Ich erarbeite das Ullrich-Dossier und bin bei uns im Verband so etwas wie der Staatsanwalt. Ich werde meine Empfehlung im Fall - entweder lebenslange Sperre oder Freispruch - an unsere Disziplinarkammer weiterleiten, die dann ein Urteil spricht. Das wird hoffentlich im Januar 2007 der Fall sein. Ich warte noch auf Informationen deutscher Staatsanwaltschaften und der im Doping-Fall Fuentes ermittelnden spanischen Behörden», sagte Welten, dessen Organisation auch nach der Lizenz-Rückgabe durch Ullrich weiter zuständig ist. In Hamburg und Bonn wird zudem außersportlich gegen den ehemaligen T-Mobile-Kapitän ermittelt.
«Kein Kommentar», meinte der sonst auskunftsfreudige Welten auf die Frage, wie seine Empfehlung an die Disziplinarkammer nach augenblicklicher Erkenntnislage aussähe. Nach Auskunft des Funktionärs hätten alle Landesverbände, die gegen Fuentes-Klienten ermitteln, von UCI-Päsidenten Pat McQuaid einen Brief erhalten. Darin hieß es, mit einer eventuellen Prozess-Eröffnung zu warten, bis weitere Informationen vorlägen. Das hätten einige Journalisten als nahenden Freispruch fehlinterpretiert.
McQuaid bat den spanischen Sportminister Jaime Lissavetzky schriftlich, die ermittelnden Behörden zu ermuntern, weiteres Material an die Sport-Instanzen weiter zu leiten. An bisher vorliegenden belastenden Indizien fehlt es nicht. Allerdings dürfen die vor Beginn des Prozesses in Spanien gegen die fünf Hauptangeklagten - wahrscheinlich erst im Sommer - von den Sportverbänden nicht verwendet werden.
Andere Instanzen wollen nicht länger warten und positionierten sich unmissverständlich. «Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Jan Ullrich und Ivan Basso nicht am Start unseres Rennens stehen», sagte Kai Rapp, Chef der im August stattfindenden Deutschland-Tour, dem «Kölner Stadt-Anzeiger». Im Fall der beiden Radprofis, die mit dem Doping-Netzwerk Fuentes Kontakt gehabt haben sollen, «würden wir bei rechtlichen Auseinandersetzungen ziemlich weit, also an die Schmerzgrenze, gehen», sagte Rapp. Dabei hatte er natürlich die kürzlich vereinbarte ARD-Fernsehübertragung seiner Tour im Blick. Rapp zu dpa: «Tour-de-France-Direktor Christian Prudhomme wird bei Ullrich und Basso genauso hart reagieren.»
Jan Ullrich kehrte in den vergangenen Tagen nach den Worten seines neu installierten Pressesprechers vom Training aus Italien zurück. Dort soll er laut «Gazzetta dello Sport» auch wieder Kontakt zu seinem umstrittenen «Preparatore» Luigi Cecchini gehabt haben. Dazu bemerkte PR-Mann Michael Lang, im Vorjahr noch General Manager des Berliner American Football-Teams Thunder, nur: «Kein Kommentar.»