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BDR-Generalsekretär Martin Wolf und BDR-Präsident Rudolf Scharping beim Pressegespräch in Frankfurt. Foto: rad-net
17.10.2008 16:12
Rudolf Scharping: «Propaganda auf dem Rücken anderer»

Frankfurt (rad-net) - In deutlichen Worten hat Rudolf Scharping, Präsident des Bund Deutscher Radfahrer (BDR) im Rahmen eines Pressegespräches zur aktuellen Diskussion um den Radsport Stellung genommen und dabei auch die Entscheidung des Ausstieges von ARD und ZDF aus der Live-Berichterstattung von der Tour de France und die Forderung des Vorsitzenden des Sportausschusses, Peter Danckert, scharf angegriffen. «Ich frage mich sportpolitisch, was macht es für einen Sinn, wenn man die Sportart, die alle Erwartungen an einem wirksamen Anti-Doping-Kampf erfüllt hat, und dass der wirksam ist, beweisen die Kontrollen, aus dem Fernsehen verbannt», so Scharping. «Das ist doch eine Ermutigung an andere Verbände, das ebenfalls so umzusetzen.»

«Ich bin mir ziemlich sicher, wenn man die Maßstäbe, die man im Radsport ansetzt, auch bei anderen Sportarten ansetzt, haben wir am Ende des Tages ziemlich wenig Sport im Fernsehen.» Kein Verständnis hatte Scharping außerdem für die Forderungen aus der Berliner Politik: «Mit welcher Leichtfertigkeit manche Menschen für eine Schlagzeile Existenzangst in das Leben anderer bringen, das halte ich für völlig unverantwortlichen Populismus. Ich habe ja schon einiges erlebt, aber auf dem Rücken von unbeteiligten Dritten Schlagzeilen und Propaganda zu machen, halte ich für nicht verantwortlich.»

Insbesondere angesichts des Einsatzes des Verbandes im Anti-Doping-Kampf wollte Scharping die Kritik in weiten Teilen absolut nicht nachvollziehen: «Wir haben entschieden, wir müssen die Zahl und vor allem die Intelligenz der Trainingskontrollen steigern und uns dabei nicht allein auf andere verlassen. Und wir müssen alle diese Ergebnisse in Profilen zusammenfassen, damit wir Sportler für Sportler, Sportlerin für Sportlerin sehen können, da hat sich was verändert - auch wenn wir vielleicht noch nicht sagen können, was dahinter steckt, welche möglicherweise noch nicht bekannte Substanz. Das Ergebnis ist der Blutpass, den jetzt auch der Radsport-Weltverband UCI eingeführt hat. Damit ist der Radsport in Deutschland die erste und international die einzige Sportart, die einen solchen Blutpass hat», so Scharping. «Ich darf daran erinnern, dass diese Blutpässe dafür gesorgt haben, dass 30 Sportler bei der Tour de France angesprochen wurden und 14 nachkontrolliert. Das wiederum hat am Ende auch genau dazu geführt, dass Stefan Schumacher enttarnt worden ist.»

Mit Stand September habe der Bund Deutscher Radfahrer in den nationalen Testpools mit dem Schwerpunkt auf intelligenten Trainingskontrollen 795 Kontrollen durchgführt. «Damit liegen wir, was die Kontrolldichte angeht, in Deutschland an der Spitze. Und es ist gut, dass die Dichte enger wird, dass Betrüger erwischt werden. In Deutschland waren es seit 2007 genau zwei: Patrik Sinkewitz und Stefan Schumacher.» Ausführlich erinnerte Scharping gleichzeitig an das umfangreiche Anti-Doping-Programm des Verbandes, das auf die Säulen Prävention, Kontrolle und Sanktionen baut. «Auf Grundlage unserer Beschlüsse hat der Deutsche Olympische Sportbund in Weimar im Dezember 2006 einen Beschluss initiiiert, der sagt, der DOSB und die Sportverbände sollen Prävention in ihre Arbeit integrieren», so Scharping. Er wolle nicht über andere Sportverbände reden, so Scharping, verweise allerdings darauf, dass der BDR der einzige Sportverband sei, der mit dem Präventionsprogramm begonnen habe. «Das trägt uns in der Fachöffentlichkeit ausgesprochenes Lob ein», so Scharping. «Wir haben erreicht, dass sich bei uns alle Junioren-Sportler, alle Teilnehmer der Rad-Bundesliga, alle Trainer und alle Übungsleiter mit dem Thema intensiv auseinandersetzen.»

«Im Sport und bei denen, die sich für Doping interessieren, wird das als vorbildlich wahrgenommen. Wir sind überzeugt, ohne die Ausbildung, ohne die Charakterbildung ist kein Kampf zu gewinnen. Und wir sind überzeugt, dass das den Radsport betrifft wie jede andere Sportart auch.»

Große Verärgerung hat beim obersten deutschen Radfahrer die Scheinheiligkeit der Debatte hervorgerufen. «Das ist eine Entscheidung von befremdlicher Widersprüchlichkeit und ein sich hoffentlich korrigierender Fehlgriff. Es wurde eine Fülle von Gesprächen geführt, bei denen gemeinsame Maßnahmen festgelegt wurden. Wir haben sogar mehr getan. Stellvertretend für andere sollen wir jetzt abgestraft werden. Ohne jede Aufregung, aber der schon länger vorhandene Existenzkampf des Radsports wird dadurch bis an die Todesgrenze verschärft», so Scharping.

Einen Seitenhieb konnte sich der Radsport-Präsident in diesem Zusammenhang nicht verkneifen: «Es ist allgemein bekannt, dass es eine Sportart gibt, die so gut wie keine Kontrollen durchführt, die wird aber im Bieterwettstreit von ZDF und ARD im Karree übertragen.»

Zur Diskussion über die öffentlichen Mittel stellte Scharping klar, «zu keinem Zeitpunkt sind von den öffentlichen Mitteln mehr als 1,7 Prozent für den Bereich des Profi-Radsports der Männer verwendet worden, in diesem Jahr waren es knapp unter ein Prozent. Will sagen, wenn uns diese 24.000 Euro gestrichen werden sollten, dann ist das in hohem Maße unangenehm und auch ungerecht. Es würde dann die treffen, die nach Aussagen der nach eigenem Bekunden sachkundigen Mitglieder des Sportausschusses nicht betroffen werden sollen: Nachwuchs, Mountainbike, Hallenradsport und so weiter.» Er erinnere daran, so Scharping, dass der Verband allein aus den Beiträgen seiner Mitglieder mehr Geld in Prävention und in den Anti-Doping-Kampf investiere, als vom Bund für den Profi-Radsport fließe. «Wir investieren hier einen sechsstelligen Betrag», so Scharping.

Offizieller Auslöser für die Diskussion um die Mittelkürzung des Bundes für den Radsport war zuletzt eine fehlende Anti-Doping-Kontrolle bei den Deutschen Marathonmeisterschaften in Singen. «Wir haben im Juli erfahren, dass die Zahl der vom Bund finanzierten Kontrollen kontingentiert werden», erklärte Martin Wolf, Generalsekretär des Verbandes. «Unser Kontingent betrug zu dem Zeitpunkt 273. Daraufhin haben wir bei den Laboren in Kreischa und Köln angefragt, wie viele Kontrollen wir schon hatten - wir waren bei 300.» Das hätte in der Folge bedeutet, jede weitere Kontrolle mit 175 bis 200 Euro allein für die Auswertung der Proben aus dem Haushalt zu zahlen, so Wolf, «da waren aber noch über 100 Proben geplant».

Nachdem der Antrag auf weitere Kostenübernahme abgelehnt wurde, habe man sich auf die erfolgsversprechendsten Kontrollen konzentriert. «Das sind Trainingskontrollen und Kontrollen in den Olympischen Disziplinen», so Wolf. Der Marathon der Mountainbiker ist nicht olympisch und werde nur zu 95 bis 98 Prozent von Amateuren und Hobbyfahrern gefahren, so der Generalsekretär. Scharping verwies gleichzeitig darauf, die Dimensionen nicht aus den Augen zu verlieren: «Wir haben in Disziplinen des Radsports ungfähr 300 Meisterschaftswettbewerbe, wir haben in diesem Jahr im Vergleich zu 2007 die Zahl der Wettkampfkontrollen fast verdreifacht, die Zahl der Trainingskontrollen fast vervierfacht. Wenn uns eine Kontrolle in einem Rennen in einer nichtolympischen Disziplin fehlt, dann ist das ärgerlich, aber vertretbar.»

Er sehe viel mehr in dieser Diskussion einen Versuch, einen Fehler in einer Disziplin herauszugreifen, um nicht mehr darüber reden zu müssen, wie sich die Zahlen entwickelt hätten, so Scharping. Um so ausführlicher und mit Nachdruck sprach er über die vorliegenden Zahlen: «Wir haben mehr kontrolliert als vorgesehen. Von allen Sportverbänden in Deutschland gibt es acht, die 143 Proben mehr genommen als vorgesehen. Zusammen. Die übrigen Verbände haben bisher, Stichttag ist der 30. September, 410 Proben obwohl durch den Bund finanziert, nicht durchgeführt. Also bereits bezahlte Kontrollen.»

Wolf machte klar, dass eine zwangsweise Durchführung von Doping-Kontrollen in allen Deutschen Meisterschaften die Existens einiger Titelkämpfe bedrohen. «Es kann sein, dass wir dann einige Meisterschaften streichen müssen.»

Auch darüber hinaus könnte der Ausstieg des Fernsehens existentielle Fragen für den Verband aufwerfen. «Wir werden zum Beispiel mit finanziellen Einbußen rechnen müssen, weil Rennen wegfallen, die mit Lizenzgebühren an den Bund Deutscher Radfahrer stattgefunden haben», so Scharping, der zusätzlich zum normalen Haushalt noch einen «Eventual-Haushalt» in Auftrag gegeben hat.

Welche Veranstaltungen zum kommenden Jahr aus dem Kalender verschwinden, konnte Scharping noch nicht sagen. «Ich kann aber feststellen, dass einige die Situation nutzen, um sich salopp gesagt vom Acker zu machen», so Scharping. «Da ist zum Beispiel Stuttgart, wo kein Sechs-Tage-Rennen mehr stattfinden soll. Aber wenn der Radsport so in Schwierigkeiten ist, wie sie glauben, dann müssten ja zum Beispiel auch die Rennen in Bremen, München oder Berlin abgesagt werden müssen, oder?»

Gleichzeitig verwies der BDR-Präsident auf andere Beispiele: «Es gibt auch ganz andere Signale.» Von denen wusste unter anderem Peter Streng, Vizepräsident Finanzen des Verbandes zu berichten: «Ich habe heute noch einen Anruf aus Bayern erhalten, wo die Sonsoren gesagt haben, dass sie hinter der Bayern-Rundfahrt stehen, dass sie honorieren, wie der Kampf gegen Doping erfolgreich umgesetzt wird. Es wird eine 30. Auflage der Bayern-Rundfahrt geben und sie haben versprochen, auch langfristig dabei zu bleiben», so Streng. «Wir würden uns nur wünschen, wenn das auch woanders so objektiv gesehen würde», so der Finanzchef des Verbandes.


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