Ponferrada (dpa) - Dauerrivale Fabian Cancellara hat längst kapituliert und die verpatzte Generalprobe ist abgehakt - für Tony Martin kann der Angriff auf den historischen vierten WM-Titel beginnen.
«Nur der Sieg zählt. Warum soll ich mich mit dem zweiten oder dritten Platz zufriedengeben. Nach drei Goldmedaillen soll die vierte her. Alles andere wäre eine Enttäuschung», formulierte Martin vor dem Einzelzeitfahren bei den Straßenrad-Weltmeisterschaften in Ponferrada am Mittwoch sein klares Ziel.
Die leichten Zweifel nach dem für Martin unbefriedigenden dritten Platz im Mannschaftszeitfahren am vergangenen Sonntag sind verflogen. Es werde nun keine übereiligen Hauruck-Aktionen geben. «Die Enttäuschung habe ich verdrängt. Ich war schnell wieder im Modus Mission Gold», betonte der 29-Jährige, der mit seinem vierten Triumph in Serie zu Cancellara aufschließen kann. Der Schweizer überlässt Martin kampflos das Feld, verzichtet auf einen Start und will sich auf das Straßenrennen am Sonntag konzentrieren. Das sei irgendwo «ein Kompliment», sagt Martin, fügt aber auch hinzu: «Ich finde es schade. Für die Zuschauer wäre ein Aufeinandertreffen der großen Drei schön gewesen.»
Nun wird es maximal ein Zweikampf mit Ex-Tour-de-France-Sieger Bradley Wiggins. Doch der Brite ist längst nicht mehr in der Form von 2012, als er Martin bei den Olympischen Spielen Gold wegschnappte. «Ein guter Tony und ein super Wiggins wäre ein spannendes Duell. Sind aber beide in Bestform, dann gewinnt Tony», prognostiziert Martins Technischer Manager Rolf Aldag.
Doch Vorsicht ist geboten. Auf der 47,1 Kilometer langen Fahrt zum Regenbogentrikot warten einige Tücken. Insbesondere zwei Anstiege auf den letzten zehn Kilometern können den Fahrern eine unliebsame Überraschung bescheren. «Wer sich das Rennen nicht gut einteilt, kann hinten raus schnell 20, 30 Sekunden verspielen», erklärte Martin nach einer Inspektion der Strecke. Bereits im Zeitfahren der U23-Männer kam es zu großen Differenzen auf den einzelnen Abschnitten.
Doch mit der Routine von unzähligen Zeitfahren weiß Martin damit umzugehen. In dieser Saison fuhr er ohnehin «in einer anderen Liga», wie sein BDR-Mannschaftskollege Nikias Arndt es formuliert. Seit über einem Jahr ist der Wahl-Schweizer bei Zeitfahren mit einer Länge von mehr als 20 Kilometern unbesiegt. 2014 fuhr er bereits sieben Siege im Kampf gegen die Uhr ein. «Grundsätzlich ist Tony bärenstark. Ich mache mir da keine Sorgen», sagte sein deutscher Kollege Marcel Kittel.
Und Martin hat noch lange nicht genug. Er werde auch weiterhin versuchen, bei der WM nach dem Titel zu greifen. «Es wird nie langweilig, darum zu kämpfen. Zeitfahren ist meine Disziplin und Leidenschaft», betont der Omega Pharma-Quickstep-Profi, dessen Teamchef Patrick Lefevere Martin auch als guten Klassikerfahrer sieht. Doch bis zum Fernziel Rio 2016 will der gebürtige Cottbuser von seiner Grundausrichtung nicht abrücken.
Neben Martin gehen für den Bund Deutscher Radfahrer im Zeitfahren noch Youngster Arndt (22) und der 44 Jahre alte Oldie Lars Teutenberg an den Start. Der gebürtige Düsseldorfer hatte eigentlich mit seiner Karriere schon abgeschlossen, in seiner Funktion als Aerodynamik-Experte aber auch Zeitfahr-Qualitäten entwickelt, die ihm als Dritter der Deutschen Meisterschaften das WM-Ticket einbrachten.