Ax 3 Domaines (dpa) - Kleiner Dämpfer statt umjubeltes Heimspiel: Der spanische Vorjahressieger Alberto Contador muss sich erstmals in seiner Tour-Karriere einem ebenbürtigen Rivalen stellen.
Sein Herausforderer Andy Schleck wehrte auf der ersten Pyrenäen-Etappe vor zehntausenden Radsport-Fans aus Spanien alle Attacken des Astana-Kapitäns scheinbar mühelos ab und verteidigte sein Gelbes Trikot. Seite an Seite erreichten die beiden Topfavoriten das Ziel auf der 1372 Meter hohen Skistation Ax 3 Domaines - 1:08 Minuten nach dem französischen Tagessieger Christophe Riblon.
«Heute war unsere Taktik, dass ich Contador folgen sollte. Morgen ist ein anderes Spiel», versprach der Luxemburger Schleck («Ich war der Stärkste») seinem Rivalen Contador einen heißen Tanz. Der Spanier, der zum dritten Mal nach 2007 und 2009 die Tour de France gewinnen will, trauerte der verpassten Chance nur kurz hinterher. «Der Schlussanstieg war zu leicht um einen Vorsprung herauszufahren», begründete Contador seine zurückhaltende Fahrweise.
Der 25-Jährige führt das Klassement nach der 184,5 Kilometer langen Etappe weiter vor Contador, der 31 Sekunden zurückliegt, und dessen Landsmann Samuel Sanchez (+ 2:31 Minuten) an. Tageszweiter wurde am Sonntag der Russe Denis Mentschow vor dem Gesamtdritten Sanchez.
Am Vortag hatte Contador mehr Grund zum Jubeln gehabt, als sein Astana-Teamkollege Winokurow 1089 Tage nach seiner Doping-Verbannung den ersten Etappenerfolg bei dieser Tour gefeiert hatte. «Man kann über 'Wino' sagen, was man will, aber der Kerl hat mächtig Courage», twitterte der längst entzauberte Rekordsieger Lance Armstrong nach Winokurows Solosieg in Revel, wo der 38-Jährige 100. geworden war.
Für das erste von vier Kräftemessen in den Pyrenäen galt unter den beiden Topfahrern die Devise: Kleine Nadelstiche statt offener Schlagabtausch. Zehntausende frenetische Spanier waren Zeugen, wie ihr Liebling Contador am Schlussanstieg zweimal Schleck angriff - und der Saxo-Bank-Fahrer jeweils problemlos konterte.
Das Ausscheidungsrennen der Spitzenfahrer fand auf dem 7,8 Kilometer langen und durchschnittlich 8,2 Prozent steilen Schlussgipfel statt. Schlecks Helfer mussten dem höllischen Tempo, das der Astana-Zug anschlug, Tribut zollen und ihren Kapitän alleine ins Finale schicken. 5000 Meter vor dem Ziel attackierte dann Contador, aber Schleck konnte parieren. Dieses Spiel wiederholte sich drei Minuten später noch einmal. Danach musste Contador seine Angriffsversuche einstellen - Schleck war einfach zu stark.
Bereits 29 Kilometer nach dem Start in Revel hatte sich eine neunköpfige Spitzengruppe gebildet, in der das bisher enttäuschende Milram-Team einmal mehr nicht vertreten war. Beim Aufstieg auf den Port de Pailhéres zerfiel die Gruppe, gleichzeitig erhöhte Astana an der Spitze des Hauptfeldes die Schlagzahl. Das war für den Texaner Armstrong bei seiner Abschieds-Tour bereits zu viel. Im Ziel hatte er 15:14 Minuten auf den Tagessieger kassiert.
Der einstige Tour-Herrscher muss nach dem rapiden sportlichen Absturz nun auch noch Spott ertragen. In der ersten Woche nach dem Start sei er noch ein Radprofi gewesen, dann zum Radtouristen geworden, um schließlich in Rodez vorläufig als Tourist zu enden. So kommentierte die «L'Équipe» Armstrongs Sturz noch in der Neutralisationszone am Start der 13. Etappe.
Man stelle sich die Frage, aus welchem Grund der Texaner, der sich auch die Häme einiger Fans gefallen lassen musste, überhaupt noch einmal zurückgekehrt sei. Und die nächsten Tage werden für den siebenfachen Champion nicht einfacher, schließlich folgen noch drei Pyrenäen-Etappen in Serie. Trotz der vielen Enttäuschungen übt sich Armstrongs RadioShack-Team in Durchhalteparolen. «Ein Etappensieg von Lance ist definitiv ein Ziel», sagte Teamchef Johan Bruyneel.