Plateau de Beille (dpa) - Christopher Froome verzog im Ziel der Königsetappe der Tour de France das Gesicht. Zugesetzt hatten dem britischen Radprofi nicht etwa seine Gegner, sondern eher das miserable Wetter.
Doch auch bei Regen und Hagel im Finale war der 30-Jährige auf der letzten Pyrenäen-Etappe immer auf der Höhe des Geschehens. Seine ohnehin angeschlagenen Konkurrenten versuchten es auf den letzten sieben Kilometern auf dem Plateau de Beille abwechselnd mit mehr oder weniger ernst gemeinten Attacken.
Froome konterte die Verlegenheits-Angriffe alle mit Leichtigkeit und geht mit weiter komfortablem Vorsprung in die 13. Etappe. Der 30 Jahre alte Sky-Kapitän verlässt die Pyrenäen mit beruhigenden 2:52 Minuten Vorsprung vor Tejay van Garderen (USA) und 3:09 vor dem Kolumbianer Nairo Quintana.
Froome lobte sein Team. «Drei Tage wie die in den Pyrenäen sind natürlich hart. Wir konnten die Attacken aber heute gut kontern, meine Teamkollegen Porte und Thomas sind so stark», schwärmte der Mann im Gelben Trikot, der ähnlich wie früher Lance Armstrong bei Anstiegen eine hohe Trittfrequenz mit kleineren Gängen bevorzugt.
Den 12. Tagesabschnitt der 102. Tour de France zur 1780 Meter hoch gelegenen Skistation sicherte sich nach 195 Kilometern Joaquim Rodriguez. Der Spanier, der den ausgerissenen Weltmeister Michal Kwiatkowski auf der steilen Rampe 7,6 Kilometer vor dem Ziel passierte, feierte seinen zweiten diesjährigen Etappensieg.
Seinen großen Erfolg feierte er mit seiner Familie. Seine Frau und seine beiden Kinder waren in warme Wintersachen eingehüllt. «Ich habe mich gut gefühlt und wollte es heute unbedingt mit einer Attacke versuchen - es hat geklappt», sagte Rodriguez.
«Froome ist nicht zu erschüttern, er ist zu stark», sagte Vorjahressieger Vincenzo Nibali, der sich schon auf der ersten Pyrenäen-Etappe vom Gedanken der erfolgreichen Titelverteidigung verabschieden musste. Seine Attacke im Finale verpuffte ebenso wie die des zweifachen Toursiegers Alberto Contador. Danach versuchte es schon etwas vielversprechender auch dreimal Quintana, aber Froome hatte alles und alle im Griff.
Kurz nach dem Start hatte sich bei der Tagestour über vier Anstiege eine 22-köpfige Spitzengruppe gebildet. Aus ihr kristallisierten sich jene Spitzenformationen heraus, die das Rennen prägten. Vor dem 15,8 Kilometer langen Schlussanstieg lagen mit Kwiatkowski und dem Belgier Sep Vanmarcke kurz dahinter sieben weitere Fahrer über elf Minuten vor der Favoritengruppe mit Froome an der Spitze.
Falls sich die «Großen», lange sehr zurückhaltend, einen effektiven Schlussangriff auf die Spitze überlegt hatten - das Herbstwetter mitten im Hochsommer machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Nach der Zieldurchfahrt flüchteten die Fahrer wegen des Regens schnell in ihre Teambusse.
Nach der starken Vorstellung des Debütanten Emanuel Buchmann, der auf der Tourmalet-Etappe in Cauterets einen sensationellen dritten Rang belegt hatte, ließ es der deutsche Meister ruhiger angehen. Der 22 Jahre Senkrechtstarter will es im Zentralmassiv oder in den Alpen noch einmal mit einem Ausreißversuch probieren.
«Ich habe mich heute für spätere Tage geschont. Der Regen hat uns nicht so viel ausgemacht. Erst auf den letzten zehn Kilometern wurde es kalt», erklärte Buchmann, der nach seinem Coup am Vortag auf Rang 49 mit rund 20 Minuten Rückstand auf Rodriguez über den Zielstrich rollte.
Nach 53,5 Kilometern hatte der Tour-Tross das Denkmal für den an dieser Stelle auf dem Portet d'Aspet vor 20 Jahren tödlich verunglückten Olympiasieger Fabio Casartelli aus Italien passiert.
Bevor Froome und Co. zur 12. Etappe in Lannemezan bei tropischen Temperaturen gestartet waren, hatte ein alter Tour-Bekannter seinen großen Auftritt auf einem Supermarkt-Parkplatz in Le Vernet. Lance Armstrong, die Unperson des internationalen Radsports, stattete der Tour seinen ersten, den meisten nicht sehr willkommenen Besuch nach 2010 ab.
Der als Hochleistungs-Doper überführte Texaner brach im Rahmen eines Wohltätigkeitsrennens für Leukämiekranke zu seiner ersten von zwei Etappen auf. Armstrongs Auftritt geriet zur großen, skurrilen Show.