Madrid (dpa) - Gut drei Jahre nach der Aufdeckung des großen Skandals um die «Operación Puerto» hat die spanische Polizei erneut ein Dopingnetz zerschlagen. Der Kopf der nun aufgedeckten Organisation soll der Sportarzt Walter Viru gewesen sein, ein Ex-Kollege des Dopingarztes Eufemiano Fuentes.
Die Beamten nahmen in Valencia, Barcelona, Murcia und Granada insgesamt elf Verdächtige fest, darunter auch die Ehefrau und zwei Söhne des peruanischen Mediziners. Wie die Polizei mitteilte, wurden 15 Arztpraxen, Apotheken sowie Wohnungen durchsucht und dabei große Mengen an Wachstumshormonen, EPO und anderen Dopingmitteln sichergestellt.
In den Skandal soll auch einer der erfolgreichsten spanischen Leichtathleten verwickelt sein, der Geher Francisco «Paquillo» Fernández. Der 32-Jährige hatte bei den Olympischen Spielen 2004 im 20-Kilometer-Gehen die Silbermedaille gewonnen, war zweimal Europameister (2002, 2006) und dreimal Vize-Weltmeister (2003, 2005, 2007). Der Leichtathlet bestritt die Vorwürfe. «Ich habe nie etwas mit Doping zu tun gehabt», betonte er in einer Erklärung. Er kenne Viru zwar, habe dessen Dienste aber nicht in Anspruch genommen. Fernandez wurde nicht festgenommen, denn nach spanischem Recht können wegen Dopings nur Sportärzte, Manager und Zwischenhändler verurteilt werden, nicht aber die Sportler.
Der Peruaner Viru war schon bei der «Operación Puerto» ins Visier der Ermittler geraten, denn er hatte zusammen mit Fuentes die Radprofis des damaligen Rennstalls Kelme medizinisch betreut. Im entscheidenden Augenblick hatte er aber das Glück auf seiner Seite: Weil die Polizei nicht genug Beamte auf den Fall ansetzen konnte, beschränkten die Ermittler sich auf die Dopinglabors in Madrid. Der in Valencia praktizierende Viru blieb verschont.
Dies war nicht das erste Mal, dass der Peruaner sich als Glückspilz erwies. Im Jahr 2000 nahm er nach Angaben der Zeitung «El País» bei der Portugal-Rundfahrt im Wallfahrtsort Fátima nach einer Lebensmittelvergiftung zu viele Medikamente ein und wäre beinahe daran gestorben, wenn die Ärzte eines anderen Radteams ihn nicht gerettet hätten.
Der Radprofi Jesús Manzano, der maßgeblich zur Aufdeckung von Dopingpraktiken beitrug, beschuldigte Viru 2004, ihn systematisch gedopt zu haben. Einmal habe der Arzt sogar einen für ihn bestimmten Blutbeutel mit dem eines Teamkameraden verwechselt, berichtete Manzano. «Ich wäre beinahe daran gestorben.» Die Ermittlungen gegen den Peruaner wurden aber eingestellt.
Nach der Auflösung von Kelme zog Viru, der als Medizinstudent nach Spanien gekommen war, sich aus dem Profi-Sport zurück und kümmerte sich um Privatpatienten und Amateursportler. Einer seiner Söhne betrieb eine Apotheke, die Dopingmittel vertrieben haben soll. Unter den jetzt Festgenommenen waren auch der Radprofi Pedro Vara und der paralympische Radsportler Javier Otxoa. Beide sollen andere Sportler mit Dopingmitteln versorgt haben. Otxoa war bis zu einem Unfall 2001 ein renommierter Radprofi gewesen, der auch Erfolge bei der Tour de France hatte.
Im Mai 2006 war Spanien von dem bislang größten Dopingskandal in der Radsport-Geschichte erschüttert worden. In der sogenannten «Operación Puerto» (Operation Bergpass) hatte die Polizei damals im Labor des mutmaßlichen Dopingarztes Eufemiano Fuentes rund 100 Blutproben sichergestellt. Im Zentrum der Berichterstattung zu der Dopingaffäre, in die neben rund 50 Radprofis wohl auch zahlreiche Leichtathleten, Tennisspieler und Fußballer verwickelt sind, hatten immer die Radsportler wie Jan Ullrich gestanden.