Paris (dpa) - Erst gab es Dosenbier, dann Champagner - und aus den Boxen dröhnte der Queen-Hit «We are the Champions».
Bevor Christopher Froome mit seiner schwangeren Frau Michelle in den Kurzurlaub starten konnte, gab der Tour-de-France-Champion bei den rauschenden Feierlichkeiten auf der «22. Etappe» aber noch ein Versprechen ab. «Ich kenne die Geschichte des Gelben Trikots. Sie ist sehr speziell, mit guten und schlechten Seiten. Ich werde das Trikot nicht entehren», rief der Sky-Kapitän allen Zweiflern und Kritikern zu.
«Rule Britannia» hieß es in Paris, «Rule Britannia» heißt es seit Jahren auch längst im Radsport. Drei der letzten vier Gesamtsiege gingen auf das Konto britischer Radprofis (einmal Bradley Wiggins, zweimal Froome), nachdem es 108 Jahre lang keinen Sieger von der Insel gegeben hatte. Dazu ist Wiggins Zeitfahr-Weltmeister, Stundenweltrekordler und Olympiasieger. Ganz zu schweigen von den vielen Erfolgen des «UK Cycling» im Bahnradsport.
«Brailsford, Sky und Frankenstein», schrieb das Tour-Organ «L'Equipe», dem die Erfolge «Made in Britain» sehr suspekt sind. Mit schier unbegrenzter Finanzkraft - das Budget soll weit über 20 Millionen Euro liegen - trat Sky bei der Tour wie ein rollendes Imperium auf. Die Teamwagen von Jaguar, eine Flotte von 30 Fahrzeugen, darunter drei Motor-Homes und ein großes Pullmann-Restaurant: Bei Sky ist das Beste ist gerade gut genug, eine High-Tech-Fabrik auf Rädern.
Mastermind des Erfolges ist Dave Brailsford. Der Waliser ist besessen vom Gewinnen. So hatte er schon den Bahnradsport revolutioniert. Mit einem zentralen System in Manchester hatte er einst die Bahn-Nationalmannschaft wie einen Profi-Radrennstall geführt und an die Weltspitze gebracht. «Dieses System haben wir bei Sky transformiert, und es hat wieder geklappt», erklärte Brailsford, der 2010 mit dem ersten britischen WorldTour-Team gestartet war. Damals wurde er belächelt, als er vollmundig vom ersten britischen Toursieg innerhalb der nächsten fünf Jahre sprach.
Heute lächelt darüber keiner mehr. Sky wurde aufgrund der Dominanz angefeindet und angezweifelt. «Es ist respektlos, auf diese Weise kritisiert zu werden. Diese Leute sollten nach Loch Ness gehen und dort auf das Monster warten. Es ist das Gleiche. Bei uns standen die Leute mit der Lupe und haben gesagt: 'Morgen werden wir das Monster sehen'. Doch das Monster gibt es nicht», sagte Brailsford.
Mit Monster war Froome gemeint, der so robotermäßig fahrende Radprofi. Von Zuschauern war der 30-Jährige bespuckt, beleidigt und mit Urin überschüttet worden. Dazu die vielen Dopinganschuldigungen, auch wenn die Experten nur wenig Munition besaßen. «Je größer die Anfeindungen waren, desto mehr hat es das Team zusammengeschweißt. Die ganzen Kritiker haben uns geholfen, das Rennen zu gewinnen», erklärte Brailsford.
In Großbritannien wurde Froomes Sieg verhalten aufgenommen. «Froome überwindet die Schmerzgrenze, um den Rekord zu brechen», schrieb etwa die «Times» nach dem zweiten Toursieg für einen Briten. Der nette Herr Froome, der in Kenia geboren wurde und in Monaco lebt, besitzt nicht das Charisma und die Ausstrahlung eines Bradley Wiggins. «Nie ganz geliebt in Großbritannien, nie ganz verstanden in Frankreich. Auch wenn man sich nun, nachdem er zweimal die Tour de France innerhalb von drei Jahren gewonnen hat, diesbezüglich anstrengen sollte», schrieb die italienische Zeitung «Corriere della Sera». Froome kann es egal sein, er widmet sich seiner nächsten Herausforderung. Noch in diesem Jahr wird er erstmals Vater.