Orcières-Merlette (dpa) - Emanuel Buchmann kämpfte bei der ersten Klettershow verbissen um den Anschluss, doch gegen die Wucht von Ex-Skispringer Primoz Roglic war die deutsche Rad-Hoffnung machtlos.
So richtig zufrieden schaute Buchmann an der Skistation in 1825 Metern Höhe nicht drein. «Bei 100 Prozent war das noch nicht. Als es richtig schnell wurde, hat es bei mir noch gefehlt», räumte der deutsche Hoffnungsträger ein, nachdem er auf der 4. Etappe der Tour de France einen kleinen Dämpfer erlitten hatte. Der Vorjahresvierte verlor bei der Bergankunft der in Orcières-Merlette neun Sekunden auf den siegreichen Top-Favoriten Roglic.
Einen Kilometer vor dem Ziel musste Buchmann abreißen lassen. «Viel verloren habe ich noch nicht, das hält sich noch in Grenzen», sagte Buchmann. Vielmehr dürfte ihn besorgt haben, dass kein Teamkollege in seiner Nähe war. «Ich musste mich beim Berg selbst in Position fahren. Das war nicht optimal», monierte der Ravensburger.
Da hatten andere eine komfortablere Ausgangssituation. Roglic war von seinem Super-Team Jumbo-Visma perfekt in Position gebracht worden, den Rest erledigte der explosive Kletterspezialist selbst. «Ich habe gezeigt, dass ich bereit bin. Ich bin zurückgekommen und fühle mich von Tag zu Tag besser», sagte Roglic, der nach 160,5 Kilometern vor seinem Landsmann Tadej Pogacar siegte. Damit unterstrich er seine Favoritenrolle, auch wenn er das Gelbe Trikot des französischen Stars Julian Alaphilippe noch nicht in Gefahr brachte.
Wo Rad-Legende Eddy Merckx 1971 fast neun Minuten auf den spanischen Kletterspitzen Luis Ocaña verlor, hatte Buchmann beim 7,1 Kilometer langen Schlussanstieg mit durchschnittlich 6,7 Prozent Steigung nur kleine Probleme. «Da bin ich noch nicht erholt von dem Sturz», erklärte der 27-Jährige und fügte hinzu: «Es ist noch ein weiter Weg bis Paris. Es gibt noch viele Bergetappen.» Für Sportdirektor Enrico Poitschke war es bei der Vorgeschichte «keine Überraschung», dass sein Schützling etwas Zeit verloren hat. Buchmann war vor der Tour bei der Dauphiné-Rundfahrt schwer gestürzt.
Ansonsten taten sich die Topfavoriten nicht viel. Egan Bernal aus Kolumbien war direkt im Schlepptau der beiden Slowenen und büßte keine Zeit ein. Auch Thibaut Pinot war gut vertreten.
Zu kämpfen hatte auch Alaphilippe, doch seine schwächeren Kletterfähigkeiten machte er mit einer weiteren Energieleistung wett. So wird Frankreichs Liebling am Mittwoch zum 17. Mal in seiner Karriere das Gelbe Trikot tragen, womit er in der ewigen Bestenliste der Franzosen auf den neunten Platz vorrückte - auf einer Stufe mit Ex-Weltmeister André Darrigade und dem früheren Tour-Champion Roger Pingeon. «Eine Art Déja-vu», schrieb bereits die Sportzeitung «L'Equipe» mit Blick auf Alaphilippes Triumphfahrt aus dem Vorjahr.
Die Entscheidung über den Tagessieg fiel auf dem letzten Kilometer, als Roglic das Kommando übernahm. «Meine Jungs haben einen super Job gemacht. Ich hatte eine gute Position», sagte der 30-Jährige. Für den Teamkollegen von Tony Martin war es bereits der sechste Saisonsieg in 13 Renntagen. «Es ist ja nichts Neues, das er so gut fährt. Das ist er in den letzten Rennen auch schon gefahren», meinte Buchmann.
Zuvor hatte eine sechsköpfige Ausreißergruppe mit Nils Politt das Geschehen bestimmt. Direkt nach dem Start hatte das Sextett die Flucht ergriffen und zwischenzeitlich vier Minuten Vorsprung herausgefahren. Auf einer Abfahrt versuchte es Politt auch mal im Alleingang, wurde aber wieder eingeholt. Es war das erste Mal, dass sich der Paris-Roubaix-Zweite von 2019 in Szene setzte. Angeschlagen war der Kölner mit Rückenschmerzen bereits in die Tour gegangen. Am vorletzten Berg war dann aber Politts Unterfangen beendet.
Auf der 5. Etappe sind dann wieder die Sprinter gefragt. Über 183 Kilometer von Gap nach Privas warten nur zwei Berge der vierten Kategorie.