Frankfurt (rad-net) - Am 23. Juli sollen die Olympischen Spiele von Tokio eröffnet werden. Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) wird in den vier Disziplinen Bahn, BMX, Mountainbike und Straße um olympisches Edelmetall kämpfen. In den kommenden Wochen stellen wir alle Olympia-Kandidaten des BDR vor. In der heutigen Folge präsentieren wir Sprinter Stefan Bötticher.
Stefan Bötticher liebt die Geschwindigkeit, von Null auf Hundert in wenigen Sekunden. Vor allem wenn er die Geschwindigkeit aufs eigene Rad bringt. Die Sprintdisziplinen sind seine große Leidenschaft, dort ist er seit frühester Jugend erfolgreich. Bereits im Alter von 17 Jahren gewann er Silber bei der Junioren-WM im Sprint und Teamsprint. Ein Jahr später holte er ebenfalls Silber im Sprint und Bronze im Teamsprint.
Für ein erstes Ausrufezeichen sorgte er aber bei der deutschen Bahnmeisterschaft in Cottbus im Jahr 2011, wo er - 19-Jährig - die komplette deutsche Elite schlug: Er wurde Deutscher Sprintermeister vor den international erfahrenen und erfolgreichen Fahrern wie René Enders, Robert Förstemann und Maximilian Levy; im Keirin belegte er Rang drei. Kurze Zeit später wurde er im portugiesischen Anadia dreifacher U23-Europameister im Sprint, im Keirin sowie im Teamsprint, gemeinsam mit Erik Balzer und Joachim Eilers. Ein Jahr später gelang ihm die erfolgreiche Titelverteidigung in allen drei Disziplinen.
Den Höhepunkt seiner Karriere erlebte er 2013. In Minsk (Weißrussland) wurde der damals 22-Jährige Weltmeister im Sprint und Teamsprint, zusammen mit René Enders und Maximilian Levy. Bötticher war da angekommen, wo er schon als Kind hinwollte. «Die Bahn hat mich immer fasziniert», erzählt er von seinen frühen Jahren. «Ich habe immer davon geträumt, einmal mit Maximilian Levy oder Stefan Nimke zu fahren. Und plötzlich war ich mittendrin.»
Geboren in Leinefelde in Thüringen zog es Bötticher wegen des Sports nach Chemnitz in Sachsen, wo er für den Chemnitzer Polizeisportverein antrat. Dieser Verein gab ihm auch den nötigen Rückhalt, als 2015 seine Karriere ins Stocken gerät. Wegen einer Verletzung musszr Bötticher schon in der Wintersaison 2013/2014 bei den Weltcups passen, gewann aber bei der WM 2014 Silber im Sprint. Und als er im darauffolgenden Sommer in Cottbus Deutscher Meister im Sprint und Keirin wurde, schien er wieder in der Erfolgsspur zu sein. Aber das war ein Trugschluss. Immer wieder zwangen ihn gesundheitliche Probleme vor allem im muskulären Bereich zu längeren Pausen. Statt sich weiter zu quälen, nahm Bötticher eine lange Auszeit, stellte das Rad in die Ecke und organisierte sein Leben um. Viele medizinische Behandlungen und eine lange Rehabilitation waren nötig, um seinen Körper wieder fit zu bekommen.
Und 2018 meldete er sich zurück, startete bei der WM im Teamsprint und war beim Weltcup in Polen erfolgreich. In Glasgow gewann er bei der EM drei Medaillen und wurde zum erfolgreichsten Teilnehmer. «Es ist super, wieder auf der internationalen Bühne zu stehen», sagte er damals, nachdem er Bronze im Teamsprint, Silber im Sprint und schließlich Gold im Keirin gewinnen konnte. «Das ist Wahnsinn, wie im Film. Das ich hier Gold gewinne, hätte ich mir nicht erträumen lassen.»
Bei der Bahn-WM 2019 in Pruskow gewann Bötticher im Keirin die Bronzemedaille, doch bei der Heim-WM in Berlin im Februar 2020 reichte es nicht zu Edelmetall. Platz sechs im Sprint, Platz fünf im Keirin und der vierte Platz im Teamsprint lassen aber für die Olympischen Spiele in Tokio hoffen. «Stefan ist noch nicht ganz da, wo er einmal war, aber er hat bereits ein stabiles Ausgangsniveau und ist auf einem sehr guten Weg», beurteilt Bundestrainer Detlef Uibel die Leistungen Böttichers. Und der hofft jetzt auf ein Olympia-Ticket.
Zehn Fragen an Stefan Bötticher
Was war für dich dein bisher schönster sportlicher Erfolg?
Der WM-Titel im Sprint 2013.
Was motiviert dich?
Immer besser zu werden und am Ende ganz oben auf dem Treppchen zu stehen.
Welche Vorbilder hast du?
Aktuell keine.
Deine Lieblingsfächer in der Schule?
Sport und Geografie.
Dein Lieblingsessen?
Ein schönes Stück Fleisch.
Nenne deine persönliche Stärke und Schwäche?
Willenskraft und Disziplin - Unpünktlichkeit (Fünf Minuten nach der Zeit ist meine Pünktlichkeit).
Auf was möchtest du nie verzichten?
Gutes Essen und Lebensfreunde.
Welchen Traum möchtest du dir im Leben noch erfüllen?
Viele Länder bereisen, in denen ich bisher noch nicht war.
Was ist für dich ein perfekter Tag?
Ausschlafen, ein langes und gutes Frühstück und Sonne.
Welche Überschrift möchtest du gern einmal von dir lesen?
Stefan Bötticher vergoldet sich seinen Olympiatraum.
Steckbrief Stefan Bötticher
Verein: Chemnitzer PSV
Geburtstag: 01.02.1992 in Leinefelde
Größe/Gewicht: 1,83 m/82 kg
Wohnort: Bad Schlema
Erfolge:
2009: 2. U19-WM Sprint und Teamsprint
2010: 2. U19-WM Sprint und 3. U19-WM Teamsprint
2011: 1. U23-EM Sprint, Keirin und Teamsprint, 1. DM Sprint
2012: 1. U23-EM Sprint, Keirin und Teamsprint, 1. DM Sprint, Keirin und Teamsprint, 6. WM Sprint
2013: 1. WM Sprint und Teamsprint, 6. WM Keirin
2014: 2. WM Sprint, 1. DM Sprint und Keirin
2015: 8. WM Keirin, 9. WM Sprint
2018: 1. EM Keirin, 2. EM Sprint, 3. EM Teamsprint, 5. WM Teamsprint
2019: 3. WM Keirin, 4. WM Teamsprint, 10. WM Sprint, 2. Weltcup Hongkong Teamsprint
2020: 6. WM Sprint, 5. WM Keirin, 4. WM Teamsprint
Road to Tokio: Brennauer fehlt nur noch olympisches Edelmetall
Road to Tokio: Fumic will seine Geschichte in Tokio zu Ende schreiben
Road to Tokio: Weinstein träumt von Olympia-Edelmetall
Road to Tokio: Hinze auf dem Weg zu Olympia