Frankfurt (rad-net) - Die Olympischen Spiele in Paris rücken immer näher. Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) präsentiert in den kommenden Wochen seine Rennfahrerinnen und Rennfahrer, die gute Aussichten haben, in Paris am Start zu stehen. Die endgültige Nominierung erfolgt durch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) im Juli. In der heutigen Folge stellen wir Theo Reinhardt vor.
Bahnfahrer Theo Reinhardt hat in seiner langen Karriere fast ein Dutzend WM- und EM-Medaillen gewonnen – auch aus Gold. Olympisches Edelmetall fehlt in der Sammlung des 33-jährigen Berliners aber noch. In Paris könnte es im dritten Anlauf klappen - mit Partner Roger Kluge gehört er zum Favoritenkreis im Zweiermannschaftsfahren.
Seit 2013 gehört Reinhardt zur Bahn-Nationalmannschaft und ist seitdem konstante Größe in der Mannschaftsverfolgung. Zwar gewann der Berliner gleich bei seiner ersten Elite-WM im gleichen Jahr in Minsk mit Henning Bommel die Bronzemedaille im Madison, Reinhardts Fokus lag aber zu dieser Zeit viele Jahre auf dem Vierer, denn nach den Olympischen Spielen 2008 in Peking hatte das IOC das Madison aus dem Programm gestrichen, erst 2021 in Peking kehrte die Disziplin zurück.
Nach schwächeren Jahren der deutschen Verfolger war Reinhardt maßgeblich am Wiederaufbau und die Rückkehr der deutschen Mannschaftsverfolger in die Weltspitze beteiligt. Die Plätze fünf und sechs bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro und Tokio sind Beleg dafür. Waren zu Beginn seiner Karriere Zeiten unter vier Minuten eher die Ausnahme, drückte der Vierer um Theo Reinhardt bei den Spielen in Japan den nationalen Rekord auf 3:48,861 Minuten. Gleichwohl ist die Entwicklung vor allem in Dänemark, Italien oder Australien ebenfalls nicht stehen geblieben - die führenden Nationen sind dem deutschen Quartett immer noch rund fünf Sekunden voraus. Das Podium scheint außer Reichweite. «Ich glaube, dass man nach der WM 2023 in Glasgow [Platz sieben, Anm. d. Red.] realistisch sein muss: Zu einer Medaille wird es in Paris eher nicht reichen», sagt Reinhardt, betont aber, dass die Verfolgung immer sein Herzensprojekt war und ist. «Damit hat alles angefangen und daraus hat sich alles entwickelt», so der 33-Jährige - auch seine Medaillenchance im Madison.
Nach der IOC-Entscheidung, das Madison ins Programm zurückzuholen, reifte Reinhardt an der Seite von Roger Kluge von einem Top-Verfolger zu einem beständigen Medaillenanwärter im Zweiermannschaftsfahren. «Ich halte mich schon für einen guten Radfahrer, aber ich hätte nie gedacht, dass ich mal Weltmeister werden würde», sagte er einmal. Bei den Cottbuser Nächten 2017 ging das Duo erstmals gemeinsam an den Start und hat seitdem eine imposante Erfolgsgeschichte geschrieben, bei Welt- und Europameisterschaften sowie Sixdays. Herausragend: Die WM-Titel 2018 in Pruszkow und 2019 in Apeldoorn. Und zuletzt der Hattrick bei den Europameisterschaften mit überlegenen Siegen in München 2022, Grenchen 2023 und Apeldoorn 2024. «Damit haben wir ein Stück Sportgeschichte geschrieben», so Reinhardt nicht ohne Stolz.
Mit Reinhardt und Kluge haben sich zwei Fahrer gefunden, die auch neben der Piste harmonieren – aber vor allem auf der Bahn ihre unterschiedlichen Stärken besonders gut zur Harmonie bringen. «Ja, wir ergänzen uns als Team sehr, sehr gut - auch menschlich. Roger ist mehr der Ruhepol, ich bin mehr der impulsive Typ. Es sind wohl die Gegensätze, die uns so stark machen. Und die Erfolge sprechen sicher für sich. Ich glaube, wir können beide sagen, dass wir in unserer Karriere zusammen ziemlich viel erreicht haben», so Reinhardt.
Seit 2018 standen Reinhardt und Kluge in jedem Jahr bei einer internationalen Meisterschaft auf dem Podium, nur 2021 in Tokio klappte es nicht. Mit Platz neun verkaufte sich das Duo unter Wert. Das soll in Saint-Quentin-en-Yvelines, auf der Olympia-Bahn vor den Toren von Paris, besser laufen. «Bei den Spielen in Paris ist ganz klar eine Medaille unser Ziel. Sportlich haben wir uns eine sehr gute Ausgangslage verschafft, das steht außer Frage. Wenn es drauf ankam, haben wir abgeliefert und unsere Stärke gezeigt», sagt Reinhardt, der dennoch weiß, dass es für eine Medaille einen nahezu perfekten Tag braucht. Dem will er sich stellen: «Ich bin in den letzten Jahren an meinen Aufgaben gewachsen und denke, dass mich das stärker gemacht hat. Olympia ist nun mal das Nonplusultra. Deshalb hätte eine Medaille - egal welcher Farbe - für mich einen höheren Stellenwert als jeder Titel bisher.»
Großer Rückhalt für Reinhardt, der in Neu-Lindenberg bei Ahrensfelde (Brandenburg) lebt, sich aber als echter Berliner fühlt, ist seine Familie. Partnerin Jane, ehemalige Leistungssportlerin im Eisschnelllaufen, und Sohn Pepe (8) sind regelmäßig bei den Rennen dabei. «Tatsächlich haben wir es geschafft, vier Karten für Paris zu ergattern. Auch meine Eltern können mitkommen», sagt Reinhardt, dessen Sohn inzwischen erste Anfängerrennen fährt.
Gemeinsame Leidenschaft der Familie sind Urlaube im Wohnmobil, für die es nach 2024 möglicherweise mehr Zeit gibt. Ziemlich sicher: Paris sind die letzten Olympischen Spiele für Reinhardt. Wie es ansonsten weitergeht, ist für den Oberfeldwebel der Sportförderkompanie dagegen unklar: «Natürlich habe ich den Wunsch, mehr bei der Familie zu Hause zu sein. In meinem Kopf gibt es schon ein paar Gedanken», sagt Reinhardt. Aber erstmal gilt die volle Konzentration Paris 2024 - für die eine Medaille, die noch fehlt.
Steckbrief
Team: rad-net Oßwald
Geburtstag: 17. September 1990 in Berlin
Wohnort: Neu-Lindenberg
Olympia-Teilnahmen: 2 (2016, 2021)
Erfolge
2008: 3. U19-EM Einer- und Mannschaftsverfolgung, 1. U19-DM Madison
2010: 2. U23-EM Mannschaftsverfolgung, 3. U23-EM Madison
2012: 2. EM Mannschaftsverfolgung
2013: 3. WM Madison, 2. EM Derny
2014: 2. EM Mannschaftsverfolgung, 1. DM Omnium, 1. DM Mannschaftsverfolgung
2015: 1. DM Mannschaftsverfolgung
2017: 1. DM Mannschaftsverfolgung
2018: 1. WM Madison, 2. EM Madison
2019: 1. WM Madison, 1. DM Punktefahren, Zweiermannschaftsfahren, Mannschaftsverfolgung
2020: 3. WM Madison
2022: 1. EM Madison, 1. DM Madison, Mannschaftsverfolgung, 2. EM Ausscheidungsfahren
2023: 1. EM Madison
2024: 1. EM Madison
Theo Reinhardt privat
Welchen Traum möchtest du dir im Leben noch erfüllen?
Ein Wohnmobil kaufen und mit der Familie reisen, unabhängig von Flugplänen und Hotelreservierungen. Das ist für mich ein Stück Freiheit, immer im eigenen Bett schlafen. Und mein Sohn Pepe fühlt sich auf Campingplätzen super wohl.
Was ist für dich ein perfekter Tag?
Beruflich würde ich sagen, einen Tag wie bei der EM in Apeldoorn zu haben, das kommt dem schon sehr nahe. Privat wäre ich wieder beim Wohnmobil. Irgendwo am Wasser aufwachen, den Sonnenaufgang genießen, draußen frühstücken und die Zeit mit der Familie genießen.
Welche Überschrift möchtest du gern einmal von dir lesen?
Reinhardt gewinnt Olympisches Edelmetall.
Mit wem möchtest du an der Hotelbar mal ein Bier oder einen Cocktail trinken?
Mit Mathias Schweighöfer.
Was ist dein Lieblingsfrühstück?
Avocado-Toast und Spiegelei.
Was ist deine Lieblingsserie auf Netflix?
Blacklist.
Was ist dein Lebensmotto?
Damit tue ich mich schwer, es wäre unehrlich, wenn ich da jetzt irgend etwas sagen würde. Ich bin nicht der Typ für so was.
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