Kopenhagen (dpa) - Immerhin die Verbindungen ins Peloton funktionieren noch. Auf einige seiner alten Weggefährten kann sich Bjarne Riis in diesen so ungemütlichen Zeiten dann doch noch verlassen. Wie etwa auf den Amerikaner Christian Vande Velde.
«Wir haben nie über Doping gesprochen. Als ich zu Bjarne kam, war da nichts», behauptete der längst als Dopingsünder aufgeflogene Amerikaner, der von 2005 bis 2007 unter Riis fuhr und heute für Garmin bei der Tour in die Pedale tritt, im Interview des dänischen TV-Sender TV2.
Auch Kim Andersen, jahrelang die rechte Hand von Riis, will «nichts gesehen» haben. «Zu 100 Prozent» habe er auch nicht geholfen, Verbotenes zu machen, sagte der heutige Sportdirektor des RadioShack-Rennstalls der dänischen Zeitung «Fyens». Ob Andersen als Leumundzeuge für den Tour-de-France-Sieger von 1996 taugt, ist doch eher fraglich. In seiner mittelmäßigen Karriere hat Andersen traurige Berühmtheit erlangt, indem er 1988 als erster Radprofi lebenslang gesperrt worden war. Das Strafmaß wurde später wieder reduziert, doch mehrere positive Proben blieben haften.
Von der dänischen Anti-Doping-Agentur ADD ist Andersen nicht vorgeladen worden, viel versprechen sich die Ermittler offenbar nicht von Aussagen. Dafür wurden eine Reihe von Ex-Fahrern gehört, dazu zählte auch Kronzeuge Jörg Jaksche. Vor einem Monat habe er mit den Ermittlern gesprochen und dabei den Eindruck gewonnen, dass ihr Wissen über die Doping-Kultur im Team und das Wissen von Bjarne Riis über die Betrügereien massiv gewesen sei.
Dem widerspricht Ex-Radprofi Kurt-Asle Arvesen, gemäß seiner Version sei Doping in der Zeit von 2004 bis 2009 kein Thema gewesen. Arvesen ist heute beim Team Sky als Trainer angestellt und meidet das leidige D-Wort wie viele seiner Kollegen. Vielmehr kommt es im Tour-Feld immer noch einem Stich ins Wespennest gleich, wenn die Sünden der Vergangenheit angesprochen werden.
«Ich bevorzuge es, in die Zukunft und nicht in die Vergangenheit zu schauen», sagt etwa Katusha-Generalmanager Wjatscheslaw Jekimow, einst Teamkollege von Armstrong. Und Andreas Klier, heute bei Garmin im Managerstab tätig, ergänzt knapp: «Zu sportpolitischen Dingen möchte mich nicht äußern und schaue nur auf das Rennen.»
Das würde Riis auch gerne sagen, doch die ADD hat offenbar ihre Hausaufgaben gemacht. Mit den Anti-Doping-Ermittlern aus den USA, Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien soll es einen regen Austausch gegeben haben. «Die Ermittlungen begannen direkt nach dem Armstrong-Fall und gehen zurück in die 90er Jahre, als alles begann», sagte die ADD-Vorsitzende Lone Hansen der Nachrichtenagentur dpa.
Jaksche hatte bei der Befragung das wiederholt, was er bereits bei seiner Dopingbeichte 2007 erzählt hatte. «Es gab eine gewisse Doping-Systematik im Team. Man kam leicht an gefälschte Atteste, Synacthen und Kortison waren erhältlich. Riis hat in seinem Team zumindest Doping geduldet», sagte Jaksche der dpa. Eine Version, die sich deckt mit den Aussagen von Tyler Hamilton und wohl auch Michael Rasmussen. Dieser soll ausgesagt haben, dass Riis als Teamchef vollständige Kenntnis von den Dopingpraktiken in seinem Team gehabt habe. Der 39-Jährige fuhr 2001 und 2002 unter Riis. Erst Anfang des Jahres hatte er selbst seine Sünden gebeichtet.
Einen Schritt, den Riis 2007 auch vollzogen hatte - allerdings nur was seine aktive Karriere betrifft. Ansonsten hatte sich Riis in Bezug auf seine Teamchef-Rolle geläutert gegeben «Die Leute haben ein Recht, meinen Ausschluss aus dem Sport zu fordern. Aber ich glaube, ich habe in den letzten Jahren viel für den Radsport getan und ich will das fortsetzen», sagte Riis zuletzt dem Internetportal «cyclingnews», bevor er bei der Tour wieder verschwand.
Riis soll im Hintergrund bereits an eine Nachfolgeregelung arbeiten, sollte ihm ähnlich wie Armstrong-Mentor Johan Bruyneel eine lebenslange Sperre drohen. Der clevere 49-Jährige, der am Mittwoch von der Tour wieder abreiste, ist seit Wochen auffällig viel abwesend. Es wird eng für Riis.