Bodrum (rad-net) - Nach den rassistischen Beleidigungen gegen seinen Radsportkollegen Nacer Bouhanni, hat sich Kévin Reza mit dem Fahrer von Arkéa-Samsic solidarisiert.Der einzige dunkelhäutige Teilnehmer der Tour de France 2020 beklagt andauernden Rassismus im Radsport. Es werde nur diskutiert und nicht gehandelt.
«Ich bin von der Sportswelt generell enttäuscht», berichtete Reza, der in der Vergangenheit selbst von verschiedenen Seiten, darunter auch Mitglieder des Pelotons, rassistisch beleidigt worden war, im Interview mit «Cyclingnews». «Zugegeben, Nacer hat einen Fehler gemacht, absichtlich oder nicht, das wissen wir nicht, aber er bleibt doch vor allem ein Mensch. Niemand sollte ihn aufgrund seiner Religion oder seines Rennstils bedrohen oder kritisieren. [...] Wir können die Angriffe gegen ihn nur anprangern und die Neider anweisen, damit aufzuhören, was sie online tun.»
Damit nahm Reza Bezug auf die massiven Beleidigungen, die seit dem Eintagesrennen Cholet-Pays de la Loire online gegen Bouhanni kursieren. Der französische Fahrer mit Wurzeln in Nordafrika hatte beim Schlusssprint des Rennens seinen Kontrahenten Jake Stewart gefährlich angerempelt, woraufhin er sanktioniert worden war und ein Disziplinarverfahren erhalten hatte. In den sozialen Medien sorgte die Aktion derweilen für derart viele rassistische Äußerungen, dass Bouhanni sich sogar dazu gezwungen sah, seinen Facebook-Account zu löschen.
«Seit der Tour de France hat sich einfach nicht viel geändert», erklärte Reza weiter. Der Fahrer aus dem französischen Überseedepartement Guadeloupe war bei der letzten Etappe der Tour de France vergangenes Jahr noch aus erster Reihe gestartet, um ein Zeichen für Diversität und gegen Rassismus zu setzen, was scheinbar aber nicht angekommen sei. «Ich habe viel Gerede gehört, aber ich habe kein Handeln in den Organisationen gesehen, die unseren Sport managen. Es ist schade, aber es ist, wie es ist.»
Noch vor sieben Jahren sah die Tendenz für die Diversität im Radsport dabei ganz anders aus, als Bouhanni und Reza 2014 gemeinsam auf dem Podium der französischen Meisterschaften standen. Damals wurde diese Konstellation auf dem Podium – französischer Meister wurde Arnaud Démare – noch als Zeichen interpretiert, dass sich der vornehmlich weiße Radsport endgültig allen Ethnien öffnen würde, doch 2021 fürchtet Reza nun, der letzte Fahrer aus dem karibischen Guadeloupe zu sein: «Es geht schon seit einiger Zeit wieder zurück. [...] Ich weiß nicht, ob ich der letzte dunkelhäutige Typ aus Guadeloupe sein werde, der als Profi fährt. Ich halte aber die Daumen gedrückt, dass das nicht der Fall ist. [...] Es ist nicht einfach das Zuhause zu verlassen und 8000 Kilometer weit wegzugehen, aus dem warmen und schönen Klima zu verschwinden, um im Winter zu trainieren. Es verlangt von dir, dass du mental stark bist und viele Opfer bringen kannst. Aber wenn es einige von uns geschafft haben, dann bleibt es auch für andere möglich.»
Mit dem afrikanischen Projekt MTN, das seit 2013 versucht, afrikanische Fahrer ins Profi-Peloton zu bringen zeigte sich Reza zufrieden, obwohl in den letzten Jahren immer weniger von ihnen in der WorldTour-Mannschaft zu finden waren: «Sie hatten anfangs ein schönes Projekt. Ich weiß nicht, ob es noch afrikanische Talente gibt, die gefördert werden. Es gibt nur noch wenige in ihrem WorldTour-Team, aber das bedeutet auch, dass sie weiterhin schwarze Fahrer entwickelt haben. Zumindest haben sie sich das getraut und die Dinge vorangebracht. Man muss den Fahrern eine Chance geben. Aber wenn sie nicht die physischen oder mentalen Fähigkeiten haben, es zu schaffen, spielt die Hautfarbe keine Rolle.»
Auch über Tao Geoghegan Harts Projekt, in dem der Giro-d’Italia-Gewinner von 2019 einen Fahrer fördert, der aus einer ethnischen Minderheit stammt, verlor Reza nur positive Worte und brachte seine Wertschätzung zum Ausdruck: «Er hilft einem Fahrer, der nicht unbedingt in die Welt des Radsports integriert ist und der die Chance bekommt, in unserem Beruf aufzublühen, was auf jeden Fall ein schöner Job bleibt. Das ist eine wirklich gute Sache.»
Reza selbst habe in den letzten Jahren immer wieder auf Rassismus aufmerksam gemacht, habe aber nicht die Macht oder finanziellen Mittel, um wirklich weitreichend eingreifen zu können, so der Fahrer von B&B Hotels-KTM: «Alles, was ich tun kann, ist anzuprangern, was falsch ist, und vorzuschlagen, was getan werden könnte. Ich habe im Moment weder den richtigen Zeitpunkt noch die finanziellen Möglichkeiten, jemandem konkret zu helfen, aber ich hoffe sehr auf radikale Veränderungen in unserer Welt. Es beginnt mit Respekt.»