Berlin (dpa) - Ein Prozess ist im Gange, ein weiterer könnte folgen: Die Vergangenheit hat die gestürzte Rad-Ikone Jan Ullrich nicht nur durch die neuesten «Spiegel»-Veröffentlichungen eingeholt.
Mindestens einen Prozess hat der mit Doping in Verbindung gebrachte Tour-de-France-Sieger von 1997 noch durchzustehen. Allerdings steht ein neuer Termin vor dem Landgericht Hamburg, das die Klage Ullrichs gegen den Molekular-Biologen Werner Franke vertagte, noch nicht fest. Das bestätigte dessen Anwalt Michael Lehner. Noch «im Laufe dieses Jahres», wird nach den Worten eines Sprechers der Staatsanwaltschaft Hamburg des weiteren eine Entscheidung darüber fallen, ob gegen Ullrich eine Klage wegen falscher eidesstattlicher Versicherung erhoben wird. Die Ermittlungen laufen seit Juli. Bei einem Schuldspruch drohen dem 35-jährigen drei Jahre Haft.
Lehner sieht sich nicht erst nach dem «Spiegel»-Artikel bestätigt, in dem aus Akten des Bundeskriminalamtes (BKA) detailliert über Ullrich-Reisen nach Madrid zu dem mutmaßlichen Doping-Arzt Eufemiano Fuentes berichtet wird und illegale Geldströme aufgelistet werden. «Uns war das längst bekannt, das Urteil hätte längst gesprochen werden können», sagte der Heidelberger Jurist zum Verfahren Ullrich kontra Franke. Ein Anwalt des Wahl-Schweizers Ullrich, der vor zwei Jahren zurücktrat, war am Montag auf Anfrage nicht zu sprechen.
Den Prozess gegen den wortgewaltigen Anti-Doping-Aktivisten hatte Ullrich angestrengt, um Franke die Behauptung untersagen zu lassen, der Ex-Profi hätte für Doping-Zwecke 35 000 Euro an Fuentes gezahlt. Die nun im «Spiegel» veröffentlichten BKA-Akten unterstellen Ullrich sogar Investitionen von 80 000 Euro. «Ich habe eine dicke DVD mit dem gesamten Material, aus dem auch der 'Spiegel' zitiert. Interessant, wie das BKA von 'Bedrohungspotential' der Ullrich-Seite bei der Einigung mit seinem Arbeitgeber T-Mobile schreibt». Die 250 000 Euro, die von T-Mobile nach Ullrichs Suspendierung wegen seiner offensichtlichen illegalen Kooperation mit Fuentes gezahlt wurden, seien laut Franke «Schweigegeld» gewesen.
Obwohl auch alle diese Fakten nach Frankes Worten der Staatsanwaltschaft Bonn hätten bekannt sein müssen, hatte die Behörde im Vorjahr ein Betrugs-Verfahren gegen Ullrich nach Zahlung von ebenfalls 250 000 Euro eingestellt. Ein Doping-Eingeständnis war dafür nicht erforderlich. Franke nannte das «Rechtsprechung wie im Mittelbalkan». Bis heute leugnet Ullrich im Gegensatz zu vielen ehemaligen Team-Kollegen Doping.
In dem im «Spiegel» zitierten BKA-Bericht wurden zwischen 2003 und 2006 insgesamt 24 Besuche Ullrichs bei Fuentes aufgelistet. Dazu die Geldströme von seinem Konto Richtung Fuentes: insgesamt in zwei Tranchen 80 000 Euro. Ullrichs langjähriger Intimus Rudy Pevenage - das Verfahren in Bonn gegen den ehemaligen T-Mobile-Teamchef wurde ebenfalls gegen Zahlung einer Summe eingestellt - hätte die Kontakte zu dem spanischen Gynäkologen vermittelt und jahrelang für seine Dienste von dem Profi 125 000 Euro pro Saison netto kassiert. Das BKA bescheinigte dem ehemaligen deutschen Sportidol, das Doping-System von Fuentes genutzt zu haben, um sich «vertragswidrig mit leistungssteigernden Mitteln und -Methoden auf seine Wettkämpfe vorzubereiten».