Montpellier (dpa) - Alberto Contador hat seinen Zauber verloren, das Herausforderer-Trio eine Vorentscheidung bei der Tour de France vertagt und Tony Martin bleibt nur noch das Zeitfahren zum Träumen.
Auch nach dem vierten Etappensieg des Briten Mark Cavendish bleibt Thomas Voecklers Durchhaltevermögen im Gelben Trikot die große Überraschung. «Mark ist unglaublich. Solche Siege schweißen die Truppe zusammen. Wir arbeiten den ganzen Tag und er dankt es uns hundertprozentig», sagte Martin im Ziel. Der Etappensieger gab das Lob umgehend zurück: «Ich stehe zwar auf der Siegerliste, aber ich wäre nichts ohne mein Team. Alle haben sich für mich geopfert.»
Die 98. Tour ist nach dem Patt in den Pyrenäen ein Mehrkampf zwischen Ex-Weltmeister Cadel Evans, den beiden Schleck-Brüdern, dem weiter nicht überzeugenden Titelverteidiger Contador und dem Außenseiter Voeckler geblieben. Im Hochgebirge an der spanischen Grenze konnte sich keiner der Favoriten absetzen - in der letzten Tour-Woche müssen die Alpen entscheiden.
Das Grüne Trikot wird Cavendish wohl nicht mehr hergeben. Im Ziel der 15. Etappe düpierte der Brite die Konkurrenz erneut. Nach 193 Kilometern ließ der schnelle Mann von HTC-Highroad in Montpellier den Amerikaner Tyler Farrar (USA) und Alessandro Petacchi (Italien) hinter sich und feierte seinen insgesamt 19. Tageserfolg beim Saisonhöhepunkt in Frankreich.
Wenige Stunden vorher hatte der vor vier Jahren als Doper erwischte Alexander Winokurow nach seinem schweren Unfall sein Karriereende verkündet. Der Kasache, der sich auf der 9. Etappe bei einem Sturz den Oberschenkelkopf brach, sagte im französischen Fernsehen: «Ich werde nicht mehr als Profi auf das Rad steigen. Wir werden eine neue Rolle für mich im Team Astana finden.»
Der am Samstag beendete Ritt durch die Pyrenäen brachte unterdessen nur eine bittere Klarheit: Der als große Hoffnung gestartete Martin, der auf der 14. Etappe auf das Plateau de Beille 17:03 Minuten auf den Sieger Jelle Vanendert (Belgien) verloren hatte, kann die Gesamtwertung abhaken. «Auf den Ruhetag morgen freuen wir uns zehnmal mehr als auf den ersten», sagte er.
Zu ungeahnten Höhenflügen setzte dagegen Lokalmatador Voeckler an, der sein Gelbes Trikot mit 1:49 Minuten aus den Pyrenäen brachte, und nach Meinung von Rekordsieger Lance Armstrong die Rundfahrt sogar gewinnen kann. Am Sonntag hatte er keine Mühe, es mit demselben Vorsprung wieder zu verteidigen.
Nach dem schwersten Pyrenäen-Teilstück schoben sich die Favoriten gegenseitig die Schuld am kollektiven Patt zu. Der Italiener Basso bemängelte die relativ späten Attacken der Schlecks: «Wenn Andy und Frank die anderen abschütteln wollen, müssen sie viel früher am Berg Druck aufbauen.» Der nimmermüde Edelhelfer Jens Voigt hatte die beiden Brüder aus Luxemburg trotz seiner beiden spektakulären, aber glimpflich verlaufenen Stürze in den Schlussanstieg geführt.
Contador muss spätestens bei der am Mittwoch beginnenden Alpenkletterei attackieren, wenn er die Tour gewinnen will. Knapp zwei Minuten liegt der Spanier hinter den Schlecks und Evans. Der von einer Knieverletzung beeinträchtigte dreimalige Tour-Sieger spielte seine mäßige Form herunter. «Ich fühle mich von Tag zu Tag besser.» Auf die Frage, ob er die Rundfahrt trotz des Rückstands noch gewinnen könne, antwortete der dopingverdächtigte Madrilene deutlich: «Ja!»
Martin spekuliert nun auf einen Etappensieg beim Einzelzeitfahren am vorletzten Tour-Tag. Auf identischem Kurs hatte er im Juni bei der Dauphiné-Rundfahrt gewonnen. Sein Teamchef Rolf Aldag will aber Druck vom 26-Jährigen nehmen und Grenoble nicht zum alles entscheidenden Tag machen: «Sich jetzt sechs Tage nur auf das Zeitfahren zu konzentrieren geht auch nicht. Das wird seinen Ansprüchen nicht gerecht. Vielleicht versucht er an anderer Stelle noch mal etwas.
Die andere abgestürzte deutsche Tour-Hoffnung Andreas Klöden, nach zwei schweren Stürzen seit Freitag nicht mehr im Rennen, twitterte aus seinem Heimatort am Bodensee: «Ich hatte die Beine von 2004 und weiß, das ich ein gutes Resultat herausfahren kann, wenn ich gesund bin. Ich komme 2012 wieder.»