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Vincenzo Nibali auf dem Podium, der erste Italiener in Gelb seit Marco Pantani 1998. Foto: Nicolas Bouvy
27.07.2014 21:45
Nibali wird Toursieger - Kittel sprintet zum Rekord

Paris (dpa) - Sichtlich gerührt kletterte Marcel Kittel die wenigen Stufen auf das große Podium der Tour de France hinauf und strahlte im Schatten des Arc de Triomphe über das ganze Gesicht.

Der Blondschopf konnte sein Glück kaum fassen, nachdem er beim großen Finale der 101. Frankreich-Rundfahrt das «superdeutsche Wochenende» mit dem Rekord von sieben Etappensiegen gekrönt hatte. Feuchte Augen hatte wenige Meter weiter auch der neue Tour-Patron Vincenzo Nibali, der am Ende der 3660,5 Kilometer langen Reise seine Frau und seine im Frühjahr geborene Tochter Emma auf den Champs Élysées überglücklich in die Arme schloss.

Als kurz darauf 16 Jahre nach Marco Pantani wieder die italienische Nationalhymne erklang, musste der 29 Jahre alte Sizialianer schwer schlucken und mit seinen Emotionen kämpfen. «Ich habe noch nie etwas Gleichartiges erlebt. Das hätte ich mir niemals vorstellen können, hier zu stehen», sagte Nibali in seiner Dankesrede vor hunderttausenden Zuschauern auf dem Pariser Prachtboulevard. Es war sein Ehrentag. Bereits auf der Tour d'Honneur hatte er sich unterwegs einen Schluck Champagner gegönnt.

In Paris waren dann aber traditionell noch einmal die Sprinter am Zug. Dabei untermauerte der Vierfach-Sieger Kittel seinen Ruf als weltbester Sprinter. «Das ist unglaublich. Ich bin super stolz. Heute ist es perfekt gelaufen. Das war mein Augenblick kurz vor der Ziellinie, als ich noch mal beschleunigen konnte. Jetzt weiß ich, dass es sich gelohnt hat, über die Berge zu quälen», sagte Kittel, der nach 137,5 Kilometern den «Sprint Royal» hauchdünn vor Alexander Kristoff (Norwegen)und Ramunas Navardauskas (Litauen) gewann.

Kittel bedankte sich im Ziel gleich bei seinen Teamkollegen. «Ich bin begeistert, welche Arbeit meine Mannschaft geleistet hat. Ohne das Team wäre es nicht möglich gewesen.» Die Komplimente gab sein Kollege John Degenkolb gleich zurück: «Es ist super, für den schnellsten Sprinter im Feld den Spurt anzuziehen.»

Nibali hatte zu der Zeit seine erste kleine Feier auf dem Rad bereits hinter sich. Mit einem Vorsprung von 7:37 Minuten auf den Franzosen Jean-Christophe Peraud und dessen Landsmann Thibaut Pinot (+ 8:15) hatte der Sizilianer den größten Vorsprung seit Jan Ullrich vor 17 Jahren herausgefahren. «Dieser Sieg ist etwas Besonderes für mich. Richtig realisieren werde ich das erst in einigen Tagen», sagte Nibali, der als siebter Italiener die Frankreich-Rundfahrt gewann und erstmals seit Marco Pantani wieder die italienische Hymne erklingen ließ.

Und Nibali gewann die Tour in einer Art und Weise wie selten ein Fahrer in der jüngeren Vergangenheit. Er trumpfte auf jedem Etappenprofil fast nach Belieben auf, bergauf, bergab, sogar auf der berüchtigten Kopfsteinpflaster-Piste von Arenberg. Der 29 Jahre alte Kapitän war der Alleskönner im Peloton, dem aber auch frühzeitig die Konkurrenten durch schwere Stürze ausgegangen waren. Der angedachte Dreikampf war durch das verletzungsbedingte Aus von Vorjahressieger Chris Froome und dem zweimaligen Champion Alberto Contador ausgefallen.

Er habe den Sieg nicht gestohlen, sagte Nibali und verwies darauf, dass er noch vor dem Ausfall Contadors einen stattlichen Vorsprung herausgefahren hatte. Bei allen herausragenden Leistungen fuhren beim «Hai von Messina» aber auch Zweifel mit. Das hatte vor allem mit seinem höchst umstrittenen Arbeitgeber Astana zu tun, bei dem fast die komplette sportliche Leitung angeführt vom früheren Skandalfahrer Alexander Winokurow eine aktenkundige Doping-Vergangenheit besitzt. Ansonsten wurde die Tour-Ruhe aber gewahrt, wie im Vorjahr gab es bisher keinen Dopingfall.

Nibali drückte der Tour seinen Stempel auf, es war aber auch eine Tour d'Allemagne. Mit den schnellsten Sprintern, dem besten Zeitfahrer, dem ältesten Teilnehmer Jens Voigt und einem kleinen Team, das große Taten vollbrachte, präsentierte sich der deutsche Radsport von seiner strahlendsten Seite. Neben Kittel, der beim stimmungsvollen Auftakt in England auch gleich das Gelbe Trikot erobert hatte, war der dreimalige Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin mit zwei Tageserfolgen der erfolgreichste Deutsche. Das letzte Zeitfahren hatte Martin in Périgueux eindrucksvoll dominiert. Dazu steuerte André Greipel einen Sieg bei. Jubeln durften aber auch die Gastgeber, die erstmals seit 30 Jahren wieder zwei Fahrer auf dem Podest hatten.

Jubeln durften aber auch die Gastgeber, die erstmals seit 30 Jahren wieder zwei Fahrer auf dem Podest hatten. «Gänsehaut», hatte die Sporttageszeitung «L'Equipe» entsprechend vor dem Finale getitelt. Pinot sicherte sich mit seinem dritten Platz auch das Weiße Trikot des besten Nachwuchsfahrers. Bester Kletterer und ebenfalls ein Aushängeschild der neuen Generation war der Pole Rafal Majka, der eigentlich nur als Wasserträger von Contador dienen sollte. Das Grüne Trikot des Punktbesten gewann Peter Sagan mit elf Top-Ten-Platzierungen, aber ohne einen Tagessieg.


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