Herning (dpa) - Mit der Wild Card für den 95. Giro d'Italia in der Tasche hat das ProContinental-Team NetApp den Sprung auf das große Radsport-Parkett geschafft. Finanziell muss der deutsche Zweitdivisionär aber weiter kleine Brötchen backen.
Die erhoffte Etataufstockung durch den US-Sponsor aus der Computerbranche lässt weiter auf sich warten. Die Vertragsverlängerung über dieses Jahr hinaus ist ebenfalls noch nicht gesichert. «Der Vertrag läuft aus, aber ich habe ein gutes Gefühl», gab Teammanager Ralph Denk dazu etwas schmallippig zu Protokoll. Spätestens bis zur Anmeldefrist für 2013 beim Weltverband UCI am 15. August muss er wissen, in welcher Form - und ob überhaupt - es weitergeht mit NetApp.
Im ersten Jahr seiner Existenz hatte die von den Ex-Profis Enrico Poitschke und Jens Heppner als Teamchefs geleitete Mannschaft zum Tour-de France-Start 2010 in Rotterdam noch vollmundig die Teilnahme in Frankreich für 2012 prophezeit. Daraus wurde immerhin die Giro-Einladung. Der Aufstieg in die Eliteliga der WorldTour-Mannschaften und das automatische Startrecht bei der Tour liegen zunächst einmal in weiterer Ferne.
Trotz der eher vagen Zukunftsaussichten will NetApp - Jahresetat des Unternehmens: rund fünf Milliarden Dollar - beim Giro sportliche Argumente liefern. Inzwischen ist bei einigen Profis wohl der Knoten geplatzt. Bei der italienischen Rundfahrt «Settimana Coppi e Bartali» gewann Jan Barta das Abschlusszeitfahren und sicherte sich die Gesamtwertung. Zuvor hatte NetApp im Team-Zeitfahren überragt und etablierte Formationen wie Astana und Acqua e Sapone mit den früheren Giro-Siegern Stefano Garzelli und Danilo Di Luca alt aussehen lassen.
Der 27-jährige Barta, zuletzt Gewinner von «Rund um Köln», dürfte auch beim am Samstag beginnenden Giro im dänischen Herning Trumpfass seines Teams sein. «Leider hat es zwei Ausfälle gegeben, so dass wir keinen fürs Gesamtklassement haben», sagte Denk.
«Aber auf ausgewählten Etappen werden wir auf Ergebnis fahren. Ein Tagessieg wäre natürlich ein Traum, aber wir werden die junge Mannschaft nicht verheizen und überall mitschicken», ergänzte der Manager zur Giro-Marschroute seines Teams, das mit geschätzten rund zwei Millionen Euro pro Saison finanziell eigentlich nur notdürftig ausgestattet ist. An das Rosa Trikot, das Teamchef Heppner vor zehn Jahren in Telekom-Diensten für zehn Tage trug, ist nicht zu denken.
An der Giro-Spitze tummeln sich die Etablierten. Ivan Basso peilt nach 2006 und 2010 seinen dritten Erfolg an, obwohl der Italiener in diesem Frühjahr kaum Empfehlungen dafür sammeln konnte. Heißere Kandidaten für den am 27. Mai nach 3503,9 Kilometer feststehenden Gesamtsieger sind der Spanier Joaquim Rodriguez aus Hans-Michael Holczers Katusha-Truppe, der von seinem Team Nissan-RadioShack für den Giro zwangsverpflichtete Frank Schleck und vor allem Michele Scarponi. Der Lokalmatador von Lampre will seinen Sieg 2011 am Grünen Tisch nach dem Doping-Schuldspruch gegen Alberto Contador bestätigen.
«Meine Saison war darauf ausgelegt, bei der Tour in Topform zu sein. Aber wenn man darüber nachdenkt, ergeben sich aus dieser Situation viele Möglichkeiten», meinte Schleck, der den verletzten Jakub Fuglsang ersetzen muss. Die deutsche Fahrer-Prominenz meidet den Giro im Hinblick auf Tour und Olympia.