Valkenburg (dpa) - Der Radsport-Weltverband UCI ist auch auf der großen WM-Bühne in Valkenburg keinen Schritt weitergekommen, die tiefe Glaubwürdigkeitskrise der Branche wirksam zu bekämpfen. Eine Mitverantwortung für die Misere im Radsport lehnt die UCI ab.
Wie es nach der drohenden Aberkennung der sieben Tour-de-France-Siege von Lance Amstrong weitergeht, ließ die Dachorganisation offen. Vor einer Amnestie für aussagewillige Doper scheute der Verband ebenso zurück.
Der Luxemburger Verbandschef Jean Regenwetter legte UCI-Chef Pat McQuaid in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» den Rücktritt nahe. Der seit 2005 amtierende, umstrittene Ire will 2013 in Florenz für eine dritte Amtszeit kandidieren.
Bei seiner Bilanz-Pressekonferenz am Samstag überraschte McQuaid mit einer Schön-Wetter-Prognose. «Der Radsport ist in einer sehr guten Position, und nichts deutet daraufhin, dass sich die positive Tendenz ändert», sagte er und spielte dabei vor allem auf den überwältigenden Zuschauerzuspruch bei Olympia in London an.
McQuaid unterstrich erneut, dass der Dachverband nicht vorhabe, die von der US-Anti-Doping-Agentur USADA gegen Lance Armstrong ausgesprochenen Strafen vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS anzufechten: «Wir haben nicht die Absicht dazu, wenn die Urteile sauber und klar belegt sind.»
Die UCI wartet jedoch weiter auf die USADA-Unterlagen. Nach deren Erhalt hat der Verband 21 Tage Zeit, zum Urteil - lebenslange Sperre und Aberkennung aller Toursiege - Stellung zu nehmen. Was mit der Tour-Siegerliste dieser Jahre bei Akzeptanz der USADA-Urteile passiert, nannte McQuaid «hypothetisch». Ohne den Druck der US-Behörde «würde die UCI Armstrong heiligsprechen», meinte Regenwetter. Unter Verweis auf das Schweizer Fußball-Machtzentrum FIFA und dessen Präsidenten verglich er die UCI mit «der Republik Blatter». Der Blatter-Neffe Philippe leitet im übrigen die TV-Vermarktung im Radsport-Verband.
Für David Millar, der sich 2004 nach eigener EPO-Verfehlung und der anschließenden Sperre im Anti-Doping-Kampf engagiert, sind die von der USADA gegen den Seriensieger geforderten Strafen im Bemühen um mehr Glaubwürdigkeit «das Beste, was dem Radsport passieren konnte». Dagegen meinte der deutsche Sprinter John Degenkolb im «Tagesspiegel» (Sonntag-Ausgabe) aus Berlin: «Für uns Fahrer ist es einfach nur lächerlich, Armstrong die Toursiege abzuerkennen.» Millar hält die aktuellen Tour- und Giro-Sieger Bradley Wiggins und Ryder Hesjedal für «sauber». Heute sei es «sehr schwierig zu dopen».
Die von den UCI-Delegierten in Valkenburg abgeschmetterte Amnestie für geständige Doping-Sünder könnte 2015 wieder zum Thema werden, wenn der neue Code der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA verabschiedet werden soll. «Vom geltenden Code wäre das im Moment nicht gedeckt», sagte McQuaid. Den öffentlichen Gegenwind auch gegen seine Person kann er nur schwer nachvollziehen. Sein Verband bewege sich stets im Rahmen der WADA-Regeln und spiele im Anti-Doping-Kampf eine Vorreiter-Rolle. «Die Armstrong-Proben wurden doch damals von allen Labors als negativ zurückgeschickt», behauptete der 63-Jährige.
Der UCI-Chef ging ein weiteres Mal auf die Vorwürfe der geständigen Ex-Profis und Kronzeugen gegen Armstrong, Tyler Hamilton und Floyd Landis, ein. Definitiv sei nie eine positive Doping-Probe von Armstrong unterdrückt worden oder verschwunden. Der Texaner sei nie vor Kontrollen gewarnt worden. Seine von der UCI vor zehn Jahren in Empfang genommenen Spenden in Gesamthöhe von 125 000 Dollar seien für eine Maschine zur Blutproben-Analyse und im Juniorenbereich investiert worden. «Dafür haben wir Rechnungen», meinte MCQuaid. Gründe für die noble Gabe nannte er nicht.
Unlängst hatte auch Ex-BDR-Präsidentin Sylvia Schenk indirekt seinen Rücktritt und ein grundlegendes Umlenken im dopingverseuchten Radsport gefordert. «Bei McQuaid sind grundsätzliche Zweifel angebracht, ob er der Sportart durch eine radikale Umkehr wieder zu mehr Glaubwürdigkeit verhelfen kann», hatte die Sportbeauftragte von Transparency International der Nachrichtenagentur dpa erklärt.
Auch ihr Nachfolger Rudolf Scharping meldete sich zu Wort. «Ich bin dafür, die Dopingsünder aus den UCI-Listen zu streichen, niemanden nachrücken zu lassen und dieses als "versautes" Jahrzehnt stehen zu lassen», teilte der Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer mit.