Serre Chevalier (dpa) - Sie sind als TV-Experten, Sportliche Leiter oder gar als Teamchef im Einsatz. Bei der Tour de France finden sich reihenweise Ex-Radprofis mit unrühmlicher Vergangenheit wieder. Oftmals war ein Geständnis - am besten tränenreich - bei der Rückkehr in den Tour-Tross hilfreich.
Im T-Shirt sitzt Lance Armstrong vor dem Mikrofon, die Kopfhörer übergezogen und die Frankreich-Landkarte immer griffbereit. Der ein wenig ergraute Ex-Radstar und Ex-Doper hat sein kleines Tour-de-France-Studio eingerichtet, in dem er für rund 45 Minuten on air ist. Jeden Tag berichtet Armstrong in seinem Podcast «Stages» von der 104. Frankreich-Rundfahrt. Vor Ort ist er nicht, natürlich nicht. Der lebenslang gesperrte Texaner ist wegen seiner dunklen Vergangenheit bei der Tour eine Persona non grata.
Also sendet Armstrong aus den USA. Und für seine Beiträge erntet er mitunter viel Lob. Fundiert schätzt er die Chancen von Topsprinter Marcel Kittel ein oder findet klare Worte zum Ausschluss von Weltmeister Peter Sagan. Das kommt an, zwischenzeitlich wird seine Sendung auf Platz zehn der iTunes-Charts geführt. Armstrong hat zu allem eine Meinung, und er nimmt kein Blatt vor den Mund.
Auch nicht, als sein langjähriger Rivale Jan Ullrich bei den Feierlichkeiten zum Grand Départ in Düsseldorf nicht geladen war. «Den Roten Teppich für Jalabert, Virenque, Hinault (und viele andere) ausrollen, aber Jan nicht einladen? Pfft», schrieb Armstrong auf Twitter und traf dabei einen wunden Punkt der 104. Tour de France.
Jeden Tag, wenn das französische Fernsehen auf Sendung geht, lacht Laurent Jalabert in die Kameras und ist als Experte im Einsatz. Vor vier Jahren war der Ex-Weltmeister noch nicht so gesprächig, als er durch einen Anti-Doping-Bericht des französischen Senats als EPO-Sünder bei der Tour 1998 enttarnt worden war. Dass Jalabert später in seinem TV-Job vage Doping-Andeutungen in Richtung Chris Froome anstellte, hatte dann doch ein Geschmäckle.
Ein anderer gefallener französischer Ex-Radstar gehört auch längst wieder der Tour-Familie an: Richard Virenque. Der frühere Bergkönig ist als Experte für Eurosport tätig und taugt auch noch als Werbestar. Im schwarzen Anzug und mit edlen Lackschuhen ist er im Tour-Organ «L'Equipe» als Gentleman abgelichtet und posiert dabei für Festina. Festina, war da nicht mal was? Richtig, 1998 hatte der Festina-Skandal die Tour in ihren Grundfesten erschüttert, als Teamarzt Willy Voet mit haufenweise Dopingmitteln im Auto an der belgisch-französischen Grenze erwischt wurde.
Das Team Festina wurde ausgeschlossen, später gab Virenque ein tränenreiches Geständnis ab. Eine scheinbar aufrichtige Doping-Beichte ist bei der Resozialisierung immer hilfreich. Auch das spektakuläre Doping-Geständnis von Rolf Aldag und Erik Zabel vor einem Millionenpublikum war einst gleich der Türöffner für eine sofortige Rückkehr in den Tross. Zabel musste Jahre später beim Geständnis noch einmal nachbessern, was nicht so gut ankam. Heute ist der frühere Telekom-Star nur noch als Privatmann und Vater von Debütant Rick bei der Tour.
Ganz im Gegensatz zu Zabels früherem - überführten - Kollegen Alexander Winokurow, dem Chef des Astana-Teams um Mitfavorit Fabio Aru. Oder José Azevedo, dem einstigen Armstrong-Helfer und heutigen Sportlichen Leiter beim Team Katusha, der 2012 im Bericht der US-Anti-Doping-Agentur USADA noch namentlich erwähnt wurde. Als Experte ist auch der geständige Dopingsünder Michael Rasmussen dabei, der vor zehn Jahren spektakulär als Träger des Gelben Trikots aus dem Rennen genommen worden war. Und als Kolumnist berichtet Ex-Toursieger Bernard Thevenet vom Geschehen, nach seiner Karriere hatte er langjähriges Doping eingestanden.
So sind reihenweise Ex-Sportler mit zweifelhaftem Ruf dabei, auch Marco Pantanis früherer Sportchef Giuseppe Martinelli ist beim Astana-Team in Amt und Würden. «Die Branche ist weiter voll von Leuten, die nichts anderes können als Radsport. Das sind alles ehemalige Profis, die Mechaniker werden oder Sportlicher Leiter und nie aus der Petrischale des Dopings herausgekommen sind», sagte Ex-Profi Jörg Jaksche dem «Münchner Merkur». Als Kronzeuge ist Jaksche eine unerwünschte Person - genau wie Armstrong.
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