Richmond (dpa) - Entkräftet und niedergeschlagen rollte John Degenkolb über den Zielstrich, dann war der große Traum vom Regenbogentrikot mal wieder geplatzt.
«Die Enttäuschung ist groß. Als Peter Sagan am vorletzten Berg wegging, hatte ich nichts mehr zuzusetzen», sagte Degenkolb, der sich nach 15 Runden und 261,4 Kilometern mit dem 29. Platz begnügen musste. Stattdessen triumphierte der Slowake Sagan, der bei der Tour de France mit seinen vielen zweiten Plätzen noch zur tragischen Figur aufgestiegen war, im Alleingang vor dem Australier Michael Matthews und Ramunas Navardauskas aus Litauen.
Das schier endlose Warten auf den ersten deutschen Straßenrad-Weltmeister geht damit auch nach 49 Jahren weiter. «Wir sind mit dem Ziel angetreten, eine Medaille zu holen oder um den WM-Titel mitzufahren. Letztlich ist das Ergebnis schon enttäuschend, aber ich kann der Mannschaft keinen Vorwurf machen», sagte der Sportliche Leiter Jan Schaffrath.
Die Entscheidung fiel gut zwei Kilometer vor dem Ziel, als Sagan die entscheidende Attacke fuhr. Der Slowake riss ein großes Loch zu den Verfolgern. Degenkolb - zu der Zeit noch als Vierter platziert - konnte das Tempo nicht mehr mitgehen. So zelebrierte Sagan seinen Sieg. «Das ist unbeschreiblich», sagte der Tinkoff-Profi.
«Wir sind hier, um als Mannschaft aufzutreten und Weltmeister zu werden», hatte John Degenkolb vor dem Rennen noch gesagt und Zuversicht ausgestrahlt. Schließlich zählte der gebürtige Thüringer nach einer starken Saison zu den Mitfavoriten. Im Frühjahr hatte der Klassikerspezialist die Monumente Mailand-San Remo und Paris-Roubaix gewonnen. Kurz vor der WM war ihm dann noch der Sieg auf der letzten Etappe der Spanien-Rundfahrt geglückt.
Doch für das Erbe von Rudi Altig reichte es nicht. Der inzwischen 78 Jahre alte Mannheimer hatte 1966 als letzter Deutscher das WM-Straßenrennen auf dem Nürburgring gewonnen.
Der Bund Deutscher Radfahrer ging damit in den Straßenrennen leer aus, nachdem es in den Zeitfahr-Wettbewerben noch reichlich Edelmetall (eine Gold- eine Silber- und zwei Bronzemedaillen) gegeben hatte. Hinzu kam die große Enttäuschung für Tony Martin, der als haushoher Favorit im Zeitfahren nur Platz sieben belegt hatte.
Martin, der mit seinem vierten WM-Erfolg zu Rekordsieger Fabian Cancellara aufschließen wollte, verrichtete aber trotz der bitteren Tage auch am Sonntag seinen Dienst für die Mannschaft. Vor allem, als sich in der drittletzten Runde eine namhafte siebenköpfige Ausreißergruppe gebildet hatte, drückte Martin zusammen mit André Greipel im Hauptfeld auf das Tempo.
Nach einer Attacke von Ian Stannard waren Titelverteidiger Michal Kwiatkowski (Polen), Ex-Champion Tom Boonen (Belgien), der Niederländer Bauke Mollema, Elia Viviani aus Italien sowie Andrey Amador (Costa Rica) und Daniel Moreno (Spanien) dem Briten gefolgt und hatten zwischenzeitlich einen Vorsprung von 30 Sekunden herausgefahren. Es bestand höchste Gefahr, doch 18 Kilometer vor dem Ziel war Degenkolb wieder zurück im Vorderfeld, während Greipel abreißen lassen musste.
Zum Abschluss der zweiten Weltmeisterschaft auf amerikanischem Boden war der befürchtete Regen ausgeblieben, was die Strecke aufgrund der Gullideckel in den Kurven und den Kopfsteinpflaster-Passagen unberechenbar gemacht hätte. So herrschte am Straßenrand vor mehreren hunderttausend Zuschauern Volksfest-Stimmung.
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