Kirchzarten (rad-net) - Am kommenden Sonntag werden in Kirchzarten die Deutschen Meistertitel im MTB-Marathon vergeben. Bei den Männern gibt es bestimmt zehn Namen, die man als Medaillenkandidaten aufzählen kann. Bei den Frauen wird ein Duell zwischen Sabine Spitz und Elisabeth Brandau erwartet - wenngleich Titelverteidigerin Silke Ulrich auch nicht chancenlos sein dürfte.
Die Titelverteidigung im Sprint wird Simon Stiebjahn auslassen, das zeigt schon, welche Bedeutung die Marathon-DM für ihn besitzt. Und für sein Team Bulls. «Der Sonntag ist wichtiger», sagt Stiebjahn. Und im Gegensatz zum Vorjahr, als er Gold im Sprint und zwei Tage später Silber im Cross-Country gewann, sei der Unterschied zwischen Sprint und Marathon von der Vorbereitung her «zu groß». Hinterher ist man natürlich immer schlauer und wenn am Ende ein paar Prozent-Pünktchen gefehlt hätten, dann würde sich der Hochschwarzwälder Gedanken machen, ob die am Freitagabend in den Gassen von Kirchzarten liegen geblieben sind.
Was die Bedeutung der DM für Stiebjahn und seine Equipe angeht, dann geht es aber nur um Platz eins. Nur mit dem Meistertrikot ist der Erfolg über die Saison hinweg sichtbar und Simon Stiebjahn selbst hat ja bereits eine Bronze- und zwei Silbermedaillen auf der Langdistanz zuhause. «Gold ist die Farbe, die mich interessiert. Ich habe super trainiert und weiß, dass ich auf einem guten Weg bin. Wenn Tagesform und das notwendige Quäntchen Glück auf meiner Seite sind, dann kann ich optimistisch sein», erklärt Stiebjahn, der in einem kleinen Teilort von Titisee-Neustadt lebt und die Streckenabschnitte natürlich bestens kennt.
Starkes Duo: Kaufmann und Käß
Einen eindeutigen Favoriten gibt es nicht, aber etliche Konkurrenten, denen man den Titel zutrauen kann. Mit den Ex-Meistern Karl Platt und Tim Böhme sogar zwei aus dem eigenen Lager. Schwer einzuschätzen, wie die beiden Routiniers aktuell drauf sind, aber mit denen sich eventuell eine Team-Karte spielen.
Und dann mit Markus Kaufmann und Jochen Käß von Centurion-Vaude auch zwei Fahrer, die auch taktisch agieren können. Kaufmann hat als Dritter der Alpentour-Trophy vergangene Woche starke Form bewiesen und zeigt sich für die DM «zuversichtlich».
Seinen Teamkollegen Käß schätzt er auch «bockstark» ein. Der hat nach seinem Wadenbeinbruch vor dem Cape Epic wieder neu aufgebaut und wirkt optimistisch. «Ich denke ich hab gut gearbeitet seit meiner OP und nahezu hundert Prozent rausgeholt. Ich freu mich auf Sonntag und werde auf alle Fälle um Edelmetall kämpfen», erklärt Käß und hat einen Satz parat, der ja irgendwie fallen muss: «Meisterschaften haben ihre eigenen Gesetze.» Was ihm fehlt, sind technische Abfahrten, in denen er seine Qualitäten ausspielen kann. Käß hat in Kirchzarten im Vorjahr die Ultra-Distanz gewonnen.
Weber kommt aus der Höhe, Bettinger ist Local
Zweiter war Sascha Weber (Maloja-Rocky Mountain), zum zweiten Mal hintereinander. Der Wahl-Freiburger, Vize-Europameister 2015, hat sich in der Höhe von Livigno vorbereitet. Wenn das funktioniert, dann gehört Weber zu den heißen Anwärtern auf eine Medaille, beziehungsweise auf den Titel.
Simon Stiebjahn rechnet auch mit dem Ultra Bike-Sieger von 2016, Andreas Seewald (Rocklube Revolution) und natürlich mit Matthias Bettinger (Lexware Mountainbike Team). Der ist als Breitnauer auch ein «Local» und würde zu gerne mal eine DM-Medaille erobern. Er war schon mehr als zehn Mal beim Ultra Bike dabei und kennt die 114 Kilometer natürlich wie seine Westentasche. «Ich habe für dieses Jahr ein paar Dinge umgestellt und habe mir eine Strategie zurecht gelegt», sagt Bettinger, der kürzlich bei der Elsa Bike Trophy in der Schweiz gezeigt hat, dass er sich in einer top Verfassung befindet. Dort hielt er bis zum Zielsprint mit den beiden Schweizern Meister Konny Looser und Urs Huber mit - und wurde Vierter.
Schelb ist ambitioniert
Einen Fahrer, den man nicht vernachlässigen sollte, ist der Münstertäler Julian Schelb. Der ist ein guter Kletterer und sofern ihn seine Pollenallergie nicht bremst, mit viel Talent gesegnet. Und er könnte auch für eine frühe Offensive sorgen. Mutig genug ist er, das hat er auch im Vorjahr bei der DM in Gruibingen gezeigt. «Schwer eine Prognose abzugeben», sagt Schelb, der am vergangenen Sonntag den Waldhaus-Marathon gewonnen hat. «Ich hatte echt sehr schwere Beine und weiß nicht, wie sich das bis Sonntag noch entwickelt. Ich bin schon ambitioniert und freu mich drauf. Das Feld ist, denke ich, so stark wie selten.»
Matthias Alberti (Texpa-Simplon) wird eigentlich vor jeder DM als Medaillenkandidat aufgezählt, gereicht hat es bis dato noch nie. Dreimal war er schon Vierter. Möglicherweise ist dann noch der eine oder andere, den man hier gar nicht aufgeführt hat. Sebastian Stark zum Beispiel oder auch Georg Egger (Lexware), dem allerdings die Erfahrung auf der Langdistanz fehlt.
Markus Bauer: Nicht zu früh abhängen lassen
Und der Titelverteidiger? Markus Bauer geht an den Start, aber Aussichten das Trikot weiter im Besitz zu behalten, sieht er nicht. Nachdem er im Herbst vertragslos geblieben ist, hat er sich umorientiert, inzwischen sein eigenes eBike auf den Markt gebracht und sich im X-Terra versucht. «Ich will versuchen, mich nicht zu früh abhängen zu lassen», beschreibt er sein bescheidenes Ziel.
Die vergangenen beiden Jahre war Silke Ulrich Deutsche Meisterin, doch vor der 15. Auflage einer Marathon-DM am Sonntag in Kirchzarten sieht die Titelverteidigerin Elisabeth Brandau und Sabine Spitz als Favoritinnen. Das muss in diesem Fall kein Understatement sein. Alle Drei haben schon mehrere Meister-Titel auf der Langstrecke geholt.
Dass es die gebürtige Saarländerin Silke Ulrich (Herzlichst Zypern) in den vergangenen Jahren trotz Studium der Rechtswissenschaften und dann Ausübung ihres Berufs geschafft hat, insgesamt viermal (13, 14, 16, 17) Deutsche Marathon-Meisterin zu werden und andere Erfolge zu feiern, zeigt, wie viel Talent und vermutlich auch Disziplin sie besitzt.
2018 allerdings fühle sie sich erstmals «nicht gut vorbereitet und fit für die DM». Erst seit dem Hegau Bike-Marathon in Singen (13. Mai) habe sie «einigermaßen richtig trainiert» und sei «nur zwei Rennen» gefahren. Das sei «deutlich weniger» als sonst. Die Erklärung: das Haus, das sie mit ihrem Ehemann derzeit baut. Anstatt den Fahrradlenker muss sie da halt öfter mal den Pinsel in die Hand nehmen. «Die Aussicht das Trikot abgeben zu müssen, ist schon traurig, aber ich werde das Beste daraus machen und hoffe wenigstens Platz drei retten zu können. Das wäre ein Erfolg, auch wenn es schwerfällt meine Erwartungen runterzuschrauben», sagt Silke Ulrich.
Wenn sie von Platz drei spricht, dann kalkuliert sie damit, dass Elisabeth Brandau (EBE Racing) und Sabine Spitz (Wiawis Bikes) stärker sind als sie selbst. Und das muss in diesem Fall kein Understatement sein, sondern liegt an den Ergebnissen im Frühjahr.
Bei Sabine Spitz, die wie Ulrich schon viermal Deutsche Marathon-Meisterin war, darunter 2004 bei der Erstauflage in Kirchzarten, hat man etwas verwundert registriert, dass sie beim Weltcup in Nove Mesto das Rennen aussichtslos zurückliegend aufgab. Im Nachhinein fand Sabine Spitz in einer Kombination zweier Faktoren eine Erklärung, einem körperlichen Defizit und einer daraus resultierenden mentalen Müdigkeit. «Seit ich aus Südafrika zurück bin, hatte ich viele Rennen und zusätzlich diverse Verpflichtungen. Außerdem war das Wetter nicht immer so, dass man trainieren konnte, was man wollte. In der Summe sind da die Kraft-Ausdauer-Einheiten zu kurz bekommen. Ich, als Sabine Spitz, brauche die einfach, die sind meine Bank», erläutert sie ihre Erkenntnisse. Das wiederum hat dann im Rennen dazu geführt, dass ihr die eigentlich vorhandene Motivation sukzessive abhanden kam, weil sie die Qualitäten nicht abrufen konnte. «Der Biss um die Positionen zu catchen hat mir dann gefehlt», bekennt sie. Weil halt die Kraft nicht so da war. Und ohne diesen Biss ist in einem Cross-Country-Rennen nichts auszurichten.
Im Marathon ist die Anforderung ein wenig anders, doch ohne Kampfgeist kommt man auch da nicht aus. Für die 80 Kilometer, die für die Damen am Sonntag auf dem Programm stehen, zeigt sich Spitz dennoch zuversichtlich. Auch weil die Belastungskurven der Langstrecke genau das sind, was sie im ersten Halbjahr vor allem trainiert hat. Und der Sieg beim Waldhaus-Marathon hat die Zuversicht noch mal vergrößert. Dennoch weiß Spitz, dass ihr vor allem Elisabeth Brandau auf dem Weg zum 20. Deutschen Meisterjersey im Weg stehen wird. «Lisa ist aktuell super stark und sicher meine größte Konkurrentin», weiß Sabine Spitz. «Das wird schon hart.»
Elisabeth Brandau hat wiederum viel Respekt vor Sabine Spitz. Die Schönaicherin hatte bärenstarke Auftritte in diesem Frühjahr, wenn auch nur im Cross-Country. Lange Einheiten hat sie auch im Training nahezu nicht absolviert und sich in den Wochen nach dem Weltcup in Nove Mesto vor allem mit den (erfolgreich absolvierten) Prüfungen zur Heilpraktikerin beschäftigt.
Daher lässt sich nachvollziehen, wenn Brandau das Wochenende mit Sprint- und Marathon-DM erst mal «als Trainingsblock», sieht, wenn auch einen, den sie mit Ehrgeiz angeht. «Ich habe wegen Prüfungen die vergangen beiden Wochen nicht viel trainiert und Sabine hat halt viel Erfahrung. Ich denke, es wird mental eine Herausforderung werden. Natürlich wäre es schön, wenn ein Trikot herausspringen würde», sagt die 32-Jährige.
Für sie wäre ein Sieg dann auch das vierte Meistertrikot im Marathon und sie hätte mit Ulrich und Spitz gleichgezogen.
Es wäre bei diesen drei herausragenden Figuren dennoch nicht gerecht, weitere Kandidatinnen außer acht zu lassen, die vielleicht mit dem Podest zu tun haben könnten, oder direkt dahinter. Silke Ulrich nennt Cemile Trommer (Focus Rapiro Racing) und Rebecca Robisch (Wilier/Force), die Ex-Triathletin und verweist dann noch auf Stefanie Dohrn (Embrace The World), die 2016 Zweite und 2017 Dritte war. Und auf ihre junge Teamkollegin Kim Anika Ames, die «mega gut» fahren würde in diesem Jahr. Janine Schneider (Cube) und Naima Madlen Diesner (Tuspo Weende) könnte man noch addieren und mit Clarissa Mai (Link Rad Quadrat) hat eine nominelle Cross-Country-Fahrerin auch schon Talent auf der Langstrecke bewiesen.