Frankfurt (rad-net) - Die am Sonntag zu Ende gegangene Lotto Thüringen Ladies Tour (UCI 2.1) ist die einzige Großveranstaltung im Frauenradsport in Deutschland. Sie war wieder erstklassig besetzt, obwohl ihr der Weltradsportverband UCI seit Jahren den WorldTour-Status verweigert. Und mit Lisa Brennauer (Wiggle-High5) gewann einer der renommiertesten deutschen Fahrerinnen. Die Zeichen dafür, dass die deutschen Radsportlerinnen auch zukünftig erfolgreich sein werden, stehen gut. Denn hinter Brennauer lauert eine Reihe von wirklich talentierten Nachwuchsfahrerinnen.
In der laufenden Saison sind in Deutschland 97 Frauenrennen gemeldet, 68 Mal gehen die Juniorinnen an den Start, bei insgesamt 400 Rennsportveranstaltungen im kompletten BDR-Straßenkalender. Große internationale Veranstaltungen öffnen sich seit einigen Jahren mehr und mehr dem Frauenradsport. Die Tour de France und die Vuelta a Espana, der Flèche Wallonne und Lüttich-Bastogne-Lüttich, das Amstel Gold Race, sie alle präsentieren hochkarätige Frauenrennen mit internationaler Top-Besetzung.
Die positive Entwicklung des Frauenradsports steht trotz vieler Veränderungen aber immer noch auf wackligen Beinen. Die neu eingeführte UCI Women's WorldTour ist auf 23 Rennen angewachsen, gegenüber zehn im früheren Weltcup. Das bedeutet aber auch viele Reisen nach Übersee, was für die Teams ein enormer Kostenfaktor ist, was nur schwer für sie zu stemmen ist. Die Preisgelder im Frauenradsport sind nach wie vor viel niedriger als bei den Männern, einen Mindestlohn, den Ex-UCI-Präsident Brian Cookson bei seinem Amtsantritt Ende 2013 versprach, gibt es immer noch nicht.
In Deutschland sieht Bundestrainer André Korff die Situation dennoch relativ entspannt und eher positiv. «Wir haben einen Generationswechsel. Die Leistungsträgerinnen der vergangenen Jahre werden von jüngeren Sportlerinnen abgelöst» sagt Korff. Das bedeutet nicht, dass die «Älteren» nicht mehr erfolgreich wären. Anfang Mai glänzte Charlotte Becker (Hitec Products), inzwischen 35 Jahre alt, als Gesamtsiegerin der zum WorldTour-Kalender gehörenden Rundfahrt auf Chongming Island in China und feierte damit den bislang international hochwertigsten Sieg einer deutschen Fahrerinnen in diesem Jahr. Lisa Brennauer startete nach erfolgreicher Bahnsaison mit großer Motivation in die Straßensaison und dominierte am Sonntag die Thüringen-Rundfahrt, wo sie auch einen Etappensieg feierte.
Lisa Klein (Canyon-Sram), die im letzten Jahr bei den Deutschen Straßenmeisterschaften in Chemnitz die älteren Kolleginnen austrickste, ist international auf dem Weg nach oben. Sie war in diesem Frühjahr unter anderem Dritte bei Gent-Wevelgem, hat den Prolog des Festival Elsy Jacobs in Luxemburg gewonnen und sich bei der Healthy Ageing Tour gut präsentiert. Ein Schlüsselbeinbruch, den sie Mitte Mai bei einem Sturz bei einer Trainingsfahrt erlitt, bremst sie allerdings vorläufig aus.
Liane Lippert (Sunweb) hat sich ebenfalls schon fest im Peloton etabliert und könnte einmal mindestens so gut werden wie Claudia Häusler, die im letzten Jahr ihre Karriere beendet hat und eine exzellente Berg- und Rundfahrerin war. Die 20-jährige Friedrichshafenerin, 2016 Junioren-Europameisterin im Straßenrennen, gewann am Sonntag die Nachwuchswertung der Thüringen-Rundfahrt und war Zweite in der Bergwertung.
Lea Lin Teutenberg (WNT-Rotor) bestreitet ein gutes erstes Jahr in der höheren Altersklasse. Auch Christa Riffel (Canyon–Sram) wird ihren Weg gehen, hat schon einige gute Resultate erzielt. Clara Koppenburg (Cervélo-Bigla) überzeugte im Mai in der zur WorldTour zählenden Emakumeen Bira in Spanien. Und Kathrin Hammes (Trek-Drops) konnte in der Thüringen-Rundfahrt das Bergklassement für sich entscheiden, gehört mit ihren 29 Jahren aber schon zu den etablierten Rennfahrerinnen.
Mit Hannah Ludwig steht eine Juniorin in den Startlöchern, die über sehr großes Potential verfügt. «Wenn sie taktisch dazulernt und sich technisch noch entwickelt, dann ist von ihr einiges zu erwarten in Zukunft», glaubt André Korff und nahm sie deshalb auch ins BDR-Aufgebot der Thüringen-Rundfahrt, «damit sie dort von den älteren Fahrerinnen lernen konnte». Die 18-Jährige aus Traben-Trarbach enttäuschte nicht, konnte stets mit den Besten mithalten und wurde schließlich als jüngste Teilnehmerin sogar Dritte in der Nachwuchswertung und konnte als 16. im Gesamtklassement überzeugen.
Und last but not least ist Franziska Koch zu erwähnen, die in diesem Jahr schon zwei Bundesliga-Rennen für sich entschied und auch als Mountainbikerin ein Ass ist.