Paris/Berlin (dpa) - Jahrelang fühlte sich die 1999 wiederbelebte Deutschland-Tour als kleine Schwester der großen Tour de France. Doch nach dem skandalträchtigen Tour-Verlauf ist die Rundfahrt in großer Gefahr.
Die dramatischen Ereignisse in Frankreich könnten sich lebensbedrohend auf die Veranstaltung auswirken, die am 10. August in Saarbrücken beginnen und am 18. August in Hannover enden soll. Das A und O der D-Tour, die Live-Berichterstattung der ARD, die ursprünglich mindestens zehn Stunden Direkt-Übertragungen plante, steht nach den Tour-Ereignissen auf dem Prüfstand.
Die neuesten Doping-Fälle Alexander Winokurow, Patrik Sinkewitz (Deutschland-Tour-Sieger 2004) und Cristian Moreni, die Demission Michael Rasmussens im Gelben Trikot und der Verdacht auf Toursieger Alberto Contador liegen auch den Machern der nationalen Rundfahrt schwer im Magen. «Anfang dieser Woche setzen wir uns mit den Veranstaltern und dem Bund Deutscher Radfahrer zusammen. Danach entscheiden die Intendanten», sagte ARD-Sprecher Rolf-Dieter Ganz, der sich für die neuntägige Rundfahrt ein Übertragungs-Modell wie in Frankreich nach dem Ausstieg der Öffentlich-Rechtlichen vorstellen könnte. Das hieße: Zusammenfassende Berichte nach der Etappe.
Der bestehende Vertrag zwischen Deutschland-Tour und ARD für 2007 sei laut Ganz «der zentrale Punkt» der Überlegungen. Juristen hätten sich dieses Problems schon angenommen. «Wir rechnen mit Vertragstreue», erklärte BDR-Präsident Rudolf Scharping. «Rapp versucht alles», sagte Ganz über den Deutschland-Tour-Chef Kai Rapp, der die Zeichen der Zeit schon im vorigen Jahr erkannte. Er hatte Jan Ullrich, inzwischen zumindest als Fuentes-Patient enttarnt, und Ivan Basso, vor einem Monat gesperrt, den Zutritt zur Deutschland-Tour 2007 untersagt.
Genauso will Rapp mit dem Astana-Team verfahren, das nicht erst durch Winokurows positiven Doping-Test während der Tour de France in schlechtes Licht geriet. Aber auch da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, schließlich könnten der Weltverband UCI und der mit kasachischem Geld in der Schweiz beheimatete Rennstall auf die Statuten für ProTour-Rennen und damit auf ein automatisches Startrecht pochen. Rapp wollte sich nicht äußern: «Ich warte erst die Besprechungen ab.»
Auch die Sponsoren haben gemerkt, dass der Radsport vielleicht nicht mehr die ideale Plattform für Werbekampagnen ist. T-Mobile will noch vor der Deutschland-Tour entscheiden, ob die finanzielle Vereinbarung für das Team bis 2010 eingehalten werden kann. Die Zeichen stehen auf Weitermachen, aber auch ein Ausstieg 2008 ist möglich. Beim Mineralwasser-Konzern Gerolsteiner will man sich noch etwas länger Zeit lassen. Aber es erscheint unwahrscheinlich, dass die Unternehmer aus der Vulkaneifel über die bereits getätigte Zusage für 2008 hinaus gehen werden.
Andere Sponsoren wissen schon, wo es für sie weiter langgeht: Cofidis, nach dem Dopingfall ihres Fahrers Cristian Moreni komplett aus der Tour ausgestiegen, hört im nächsten Jahr auf. Auch Johan Bruyneel von Discovery Channel muss sich einen neuen Finanzier suchen. Allerdings dürfte das mit dem neuen Toursieger Alberto Contador im Gepäck nicht so schwer fallen. Adidas überlegt einen Ausstieg bei T-Mobile, ŠKODA als Auto-Sponsor bei der Tour.