Roubaix (rad-net) - Es gab keine Runde im Velodrom von Robaix und auch keine Kopfsteinpflaster-Trophäe, aber John Degenkolbs Sieg in Roubaix, nach der bislang härtesten Etappe der diesjährigen Tour de France, war für den Trek-Segafredo-Profi ein äußerst wichtiger Moment. Alle Zweifel, all der Druck und der ganze Schmerz der letzten zwei Jahre fielen von ihm ab. Entsprechend emotional zeigte sich Degenkolb nach dem Zieleinlauf.
Degenkolb bestätigte nun sein Talent für die Klassiker, nachdem er 2015 bei Mailand-Sanremo und Paris-Roubaix gewonnen hatte. Danach kämpfte er mit den körperlichen und seelischen Narben, die durch einen Trainingsunfall in Spanien verursacht wurden, als im Frühjahr 2016 ein Autofahrer in Degenkolb und einige Teamkollegen fuhr. Er erlitt schwere Verletzungen und blieb mit einer permanent beschädigten Hand zurück. Er versuchte, ein Comeback zu machen und gewann einige kleinere Rennen, aber die Frage, ob er jemals zu seinem Besten zurückkehren würde, verfolgte ihn ständig. Diese Zweifel dürften nun ausgeräumt sein.
«So viel Druck ist jetzt von meinen Schultern gefallen. Also sind die Emotionen ziemlich ähnlich, wie damals, als ich [Paris-]Roubaix gewann», sagte Degenkolb in der Pressekonferenz nach der Etappe. «Das ist ein sehr großer Sieg und kam nach einer so langen Zeit. Ich habe viele Dinge durchgemacht - es war so eine schwere Zeit. Ich bin so glücklich für meine Frau und meine Familie. Sie gaben mir die Kraft das zu tun, um 100 Prozent zu geben und hart zu arbeiten. Es ist großartig.»
Degenkolb widmete emotional seinen Erfolg einem verstorbenen Familienfreund, den er als seinen zweiten Vater bezeichnete. «Er war der beste Freund meines Vaters und er hat mich immer unterstützt, als ich mit dem Radfahren angefangen habe. Er hat mir geholfen, durch Europa zu fahren, er war immer da. Letzten Oktober hatte er einen schrecklichen Arbeitsunfall und ist gestorben. Ich habe ihm die ganze Arbeit gewidmet, die ich im Winter gemacht habe, um mich auf die Saison vorzubereiten. Ich hatte ihn immer im Kopf. Es war sehr emotional, die Ziellinie zu überqueren und an ihn zu denken.»
«Ich habe keine Angst zuzugeben, dass es wirklich hart war. Viele Leute haben nicht mehr an mich geglaubt», sagte Degenkolb. «Es war hart, weil ich auch immer wieder Rückschläge bekam. Vor ein paar Monaten, bei Paris-Roubaix, stürzte ich und zog mit eine Knieverletzung zu, die mich vier Wochen lang ausbremste. Das hat mich weit zurückgeworfen und wenn das passiert, fängst du an zu zweifeln, ob du wieder nach vorne kommst. Das ist der schwierigste Teil, nicht das Vertrauen in dich selbst zu verlieren und zu glauben, dass du immer noch da oben sein kannst.»
Degenkolb hatte eine Art «Paris-Roubaix Rückblick», als er sich der entscheidenden Attacke von Greg van Avermaet (BMC) und Yves Lampaert (Quick Step-Floors) anschloss. «Ich war mir sicher, dass ich den Sprint gewinnen könnte, aber nicht sicher, ob wir drei zusammen ankommen würden. Auf den letzten 15 Kilometern war es wie ein Dejà-vu, wie damals Roubaix zu gewinnen. Die Gruppe war damals eine ähnliche und das hat mir auch geholfen zu glauben, dass ich die Jungs schlagen könnte. Ich hatte das Gefühl, dass ich ähnliche Beine hatte. Ich war nie voll und am Limit. Ich wusste, dass ich immer noch gut sprinten kann.»