Johor Bahru (rad-net) - Stressige Anreise, sieben Stunden Zeitdifferenz, der Favoritenstellung der deutschen Hallenradsportler bei den Weltmeisterschaften in Malaysia (20. bis 22. November) tut das keinen Abbruch. Bundestrainer Dieter Maute erwartet, dass die durchaus guten Ergebnisse der letzten WM (Siege in 1er wie 2er) noch zu toppen sind. Radball-Kollege Jürgen King will die Erinnerungen an die WM 2014 in Brünn - ohne Treppchenplatz - sowieso tilgen.
In der Offenen Klasse wäre alles andere als ein weiterer Coup von Benedikt und André Bugner - auf höchstem Niveau - ein asiatisches Märchen. Maute: «Die müssen sich an ihrer eigenen Leistung messen, sie haben schon durch die Punkte-Einreichung einen Riesenvorsprun. Natürlich dürfen sie nicht leichtsinnig werden, sondern müssen hoch konzentriert fahren.» Nichts anderes aber ist man vom Duo aus Klein-Winternheim gewohnt. Die Operation Gold nimmt ihren Lauf.
Für das ganz junge Paar Stefanie Dietrich/Robert Schmidt sind die Titelkämpfe ein Novum. Sie sollen lernen - und den Kampf gegen die internationale Konkurrenz um Silber und Bronze aufnehmen. Der Bundestrainer: «Sie haben keine Pflichten, können nur gewinnen. Es wird, auch ohne ihren Heimtrainer, viel auf sie einprasseln. Aber sie haben eine konstante Saison hinter sich. Das hilft.»
Auch ohne die fünffache Titelträgerin Corinna Biethan führt der Weg zum Gold bei den Damen über das starke BDR-Duo. Maute: «Das ist eine enge Situation. Viola Brand hat sich gefestigt und Brünn [Platz 5, Anm. d. Redaktion] verarbeitet.» Auch dank Hinzuziehung eines Sportpsychologen. Experten schnalzen mit der Zunge, wenn die Schwäbin ihren Lenker-Handstand zelebriert und offensiv ans Werk geht. Und jetzt steht ein «Gold-Duell» mit Lisa Hattemer auf dem Parkett in Malaysia bevor? Maute: «Sie sollen sich pushen. Nicht überlegen, wer eventuell gewinnt, sondern Top-Leistungen an den Tag legen.» Hattemer, vor Jahresfrist knapp gescheitert, hat den Maute-Sprung immer wieder trainiert und zunehmend die richtige Position ihrer Schulter beim Drehsprung gefunden.
Auch im 2er Frauen ist eine Wachablösung angesagt. Julia und Nadja Thürmer vor dem Rest (der Welt) - das ist die Ausgangslage. «Beide sind extrem fokussiert, machen einen stabilen Eindruck. Vor Ort dürfen sie nur nicht in den Zwang verfallen, dass alle alles von ihnen erwarten. Denn sie haben die Fähigkeiten, jedes Paar zu schlagen.»
Dahinter steht der Nachwuchs ante portas. Lisa und Lena Bringsken bekamen kleine Probleme mit der Lenkerstand-Drehung beim abschließenden Lehrgang besser in den Griff. Maute: «Es wird sich zeigen, ob es zu einer Medaille reicht. Im Vordergrund aber steht: Die Tatsache genießen, sich als zweites deutsches Paar für die WM qualifiziert zu haben.»
Im Vierer soll die gute Zusammenarbeit zwischen dem Chefcoach und Irmtraut Würth aus Steinhöring aufs Treppchen führen. «Beim Nationen Cup konnte sich das Team gegen den Titelverteidiger aus der Schweiz knapp durchsetzen. Das gibt auch jetzt eine enge Kiste», so die Analyse des Experten, dem auffiel, dass die Standdrehung noch Optimierungspotenzial besitzt.
«Sorgen um Michael», wie es Dieter Maute ausdrückt, weil sich der Weltmeister aus Bruckmühl zuletzt einige Patzer leistete, aber sind in Malaysia fehl am Platze. «Er hat das verarbeitet, positiv reagiert und wieder alles im Griff», so der Eindruck kurz vor dem Showdown in Asien.
Jedoch: Der Kampf um den Titel im 1er der Herren verspricht Spannung. Der Deutsche Meister Simon Puls, WM-Zweiter von 2014, hat «Wind in den Segeln», so Maute. Nach holprigem Saisonstart stark zurückgemeldet - und dadurch mental bärenstark für das große Kräftemessen. «Simon kann Michael natürlich was vor den Latz knappen», weil er eben vor dem Bayern startet. Leichte Vorteile bleiben jedoch bei Niedermeier (24), der sein Ziel auch auf Englisch kurz und bündig fixierte: «Defend the title.»
Jens Krichbaum und Roman Müller, zum ersten Mal in dieser Konstellation für Deutschland im Radball am Start, sind coole Jungs. Immer für einen Spruch gut. Aber vor den Titelkämpfen war aller Schalk vergessen. Training bis in die Haar- und Zehenspitzen. Jens spricht (vorsichtig) vom «Podium». Roman meint, nur der Titel rentiere die lange Anreise. Es geht vorwiegend gegen Österreicher und Schweizer.