Rio de Janeiro (dpa) – Die Goldmedaille von Kristina Vogel hat die deutsche Bilanz im Bahnradsport bei den Sommerspielen in Rio de Janeiro aufpoliert. Doch gerade der Rückstand zu den Briten ist eklatant. Bundestrainer Detlef Uibel spricht Klartext.
Detlef Uibel, wie bewerten Sie die Leistung von Kristina Vogel?
Uibel: Es ist Wahnsinn, dass Kristina nach ihrem sechsten Platz im Keirin soviel Nervenstärke gezeigt hat. Und dann gegen Gegner, die in der Qualifikation alle schneller waren. Chapeau. Sie hat sich selber hohe Ziele gesetzt. Sie will die erfolgreichste Bahnradfahrerin werden und wollte hier drei Medaillen holen. Sie hat bei dem Druck, den sie sich selber aufbaut, Großes geleistet.
Wie hat sie sich zur Weltklassefahrerin entwickelt?
Sie reift immer mehr als Persönlichkeit. Ihre Wettkampfvorbereitung ist fast ein Selbstläufer. Sie ist sehr fokussiert, konzentriert, kann inzwischen auch taktische Anweisungen sehr gut umsetzen, auch wenn sie da noch Reserven hat. Ich habe es oft scherzhaft gesagt: Kristina ist unser bester Mann. Das sagt eigentlich alles. Sie ist robust, nicht nur körperlich, sondern auch vom Kopf her. Für uns ist es ein Glücksfall und mit ihrer Art bereichert sie hier die Szene.
Zwei Medaillen hat Deutschland auf der Bahn geholt. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Mit der Goldmedaille sehen wir ganz anders aus. Ich hätte mir im Keirin noch eine Medaille gewünscht. Bei den Männern ins Finale zu kommen im Keirin, ist aber schon ein großer Erfolg. Die Medaillenausbeute ist nicht da. Wir haben aber in allen Disziplinen mindestens Platz fünf belegt. Hinter den Briten fängt der Rest der Welt an. Da haben wir ganz gut abgeschnitten.
Die Briten haben sechs von zehn Wettbewerben gewonnen. Wie ist diese Dominanz zu erklären?
Die Briten haben das bessere System. Das wissen wir nicht erst seit heute. Es gibt einige Leistungssprünge von Sportlern in relativ kurzer Zeit. Die sind extrem und das ist für andere Nationen brutal. Das nehmen wir zur Kenntnis. Über alles andere will ich nicht spekulieren. Ich will auch nicht ablenken von unseren Problemen, die wir haben. Wir sind ehrlich genug, dass wir uns hinterfragen.
Gerade der Radsport hat in der Vergangenheit gezeigt, dass große Leistungssprünge auch andere Ursachen als gutes Training und schnelle Räder haben können...
Da kann man nur spekulieren. Es gibt keine Hinweise darauf. Aber alle Nationen außer die Briten konnten sich hier im Vergleich zur WM nicht steigern. Die Briten haben sich gesteigert, dadurch ist die Differenz größer geworden.
Zum Abschluss im Keirin wurde das Rennen zweimal abgebrochen. Wie bewerten Sie die Regelauslegung?
Das hatte einen bitteren Beigeschmack. Vielleicht haben die Briten einen Sonderstatus. Es geht um den Abbruch, wo Jason Kenny ganz klar als Erster am Derny vorbei war, ohne dass er es durfte. Er hätte disqualifiziert werden müssen. Das trifft auch auf Azizulhasni Awang zu. Dass man dann Regeln auslegt, wie man will, ist schon bitter.
Was muss sich ändern, damit Deutschland mit Großbritannien wieder mithalten kann?
Die Frage höre ich seit drei Olympischen Spielen. Sicherlich ist das System nicht kopierbar, aber ich sage es schon seit Jahren. Die Zentralisierung muss her. Wir müssen die Kräfte zusammenführen. Und die Mittel dementsprechend auch. Dann haben wir noch mehr Potenzial als bisher. Aber das will keiner hören. Wenn man darauf hinweist, dann heißt es immer: Das kann man in Deutschland nicht umsetzen. Ich bin gespannt, was man jetzt nach Rio erzählen wird.
Würden Sie da mithelfen?
Ich hoffe, dass man vielleicht als Trainer die Chance bekommt, in solch einer Kommission dabei zu sein. Wenn der DOSB seine Punkte bewertet, vielleicht redet man dann mal offen und geht den Weg, dass man Konsequenzen zieht.
Was muss sich denn konkret ändern?
Es muss eine Hierarchie und eine klare Struktur geben, damit die Alleinverwaltung aufhört. Ich habe mehrmals schon Konzepte oder Grundlagen erarbeitet und innerhalb des BDR weitergeleitet. Leider Gottes ist es dabei geblieben. Ich wünsche und erwarte es auch, dass man sich diesmal die Zeit nimmt und über Inhalte spricht. Man muss da viel kritischer miteinander umgehen. Das Kompetenzgehabe muss aufhören.
Sportdirektor Patrick Moster hält eine Zentralisierung in Frankfurt/Oder, wo es die einzige Bahn für das ganze Jahr gibt, für unattraktiv. Wie stehen Sie dazu?
So eine Bahn haben wir nirgendwo in Deutschland. Die Tradition des Bahnradsports ist nun einmal in Ostdeutschland. Dort gibt es auch eine entsprechende Trainerstruktur. Es ist für mich der richtige Standort.