Frankfurt (dpa/rad-net) - Die Querelen im Bund Deutscher Radfahrer (BDR) verschärfen sich. Präsidentin Sylvia Schenk wirft Sportdirektor Burckhard Bremer vor, einen Verdacht auf EPO-Doping bei Olympia-Starter Christian Lademann vertuscht zu haben.
Die 52-jährige Frankfurter Juristin forderte daraufhin die Rücktritte Bremers und des zuständigen Bundestrainers Bernd Dittert. Das bestätigte Fritz Ramseier, der seit der vergangenen Woche den Leistungssport-Bereich von Schenk übernommen hat.
Bei einer Sitzung mit den 16 Landesvorsitzenden dürfte es zu einem offenen Machtkampf zwischen Schenk und der Opposition um Ramseier und Bremer kommen. «Wenn die Mehrheit meinen Argumenten folgt, werde ich nicht zurücktreten», hatte Schenk in der vorigen Woche erklärt. «Ich gehe davon aus, dass Bremer das Vertrauen ausgesprochen wird und sich die Mehrheit hinter uns stellt», sagte der 67-jährige Vize-Präsident Ramseier. In diesem Fall will sich Sylvia Schenk, für die im März 2005 Neuwahlen anstünden, zurückziehen.
Anlass für Schenks Attacken sind die Ergebnisse einer Routine-Blutuntersuchung bei Lademann, wie die «Frankfurter Allgemeine» berichtete. «Der BDR führt in regelmäßigen Abständen bei allen Kaderathleten Untersuchungen durch», sagte BDR-Mannschaftsarzt Olaf Schumacher im BDR-Fachorgan «Radsport». Dabei erfolge auch jeweils eine Blutentnahme. Im Juni seien bei einem Bahn-Verfolger ungewöhnliche Werte festgestellt worden. Diese hätten aber «jederzeit innerhalb des vom Weltverband UCI zur Blutdoping-Bekämpfung vorgesehenen Normbereichs» gelegen, sagte Schumacher. Einen Dopingverdacht habe man nicht gehabt.
BDR-Präsidentin Schenk sieht das anders. Sie hält ihrem Berliner Sportdirektor Bremer vor, dass er sie nicht über den Vorgang informiert habe. Der betreffende Fahrer aus Berlin hätte nicht nach Athen reisen dürfen, wo er mit dem Bahnvierer Platz vier erreichte. Dem «Radsport» sagte sie: «Wer im Juni Anlass zu der Vermutung gibt, dass EPO oder verwandte Substanzen eingenommen wurden, kann im August nicht an den Start gehen.»
Der Tour de France-Zweite Andreas Klöden vom T-Mobile-Team griff Sylvia Schenk heftig an. «Das ist schon Rufmord. Lademann war in keiner Kontrolle positiv, und dass die Werte bei Leistungssportlern schwanken, ist normal», sagte Klöden, der der Präsidentin «Ahnungslosigkeit» vorwarf.
IM WORTLAUT: Das
geschäftsführende Präsidium |
„Auf Vorschlag von Präsidentin Sylvia Schenk
wurde vom geschäftsführenden Präsidium am 26.April 2004 mit
Zustimmung aller weiteren Präsidiumsmitglieder einstimmig beschlossen,
den bestehenden Vertrag mit Sportdirektor Burckhard Bremer um vier Jahre zu verlängern. Ein verbindliches schriftliches Verlängerungsangebot
wurde Herrn Bremer unterbreitet und von ihm angenommen. Für den
15.September 2004 wurde von Präsidentin Sylvia Schenk eine
Sondersitzung des Geschäftsführenden Präsidiums einberufen. In dieser
Sitzung schilderte die Präsidentin einen Vorgang, der sie veranlasste,
die sofortige Entlassung von Sportdirektor Bremer, die Entlassung eines
bereits zur Verlängerung vorgesehenen Bundestrainers und die künftige
Nichtberücksichtigung eines seit vielen Jahren für den BDR tätigen
Arztes zu fordern. Nach eingehender Beratung teilte das Geschäftsführende
Präsidium mehrheitlich nicht die Auffassung der Präsidentin. Daraufhin erklärte die Präsidentin, ohne dass entsprechende Forderungen erhoben
wurden, dass sie ab sofort die Verantwortung für den Rennsport auf den
Stellvertretenden Präsidenten Fritz Ramseier übertrage und bei der
Bundeshauptversammlung 2005 nicht mehr für das Präsidentenamt
kandidiere. Dies wurde von ihr in einer Sitzungspause an NOK und DSB
kommuniziert. Aufgrund dieses Sachverhalts wurden alle Präsidiumsmitglieder
am selben Tage informiert. Kein Präsidiumsmitglied außer der Präsidentin
hielt eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit Sportdirektor Bremer
und die weiteren Maßnahmen für angebracht. Die Entscheidungen der Präsidentin
zu Ihrer Person wurden zur Kenntnis genommen. Obwohl für
Personalangelegenheiten das Präsidium verantwortlich ist, wurde
einerseits wegen der gleichzeitigen Funktion von Burckhard Bremer als
Sportdirektor und Mitglied des Präsidiums und andererseits wegen der
persönlichen Entscheidungen der Präsidentin Sylvia Schenk für den
23.September 2004 eine Sitzung des Präsidiums mit den Vorsitzenden der
Landesverbände einberufen.“
Fritz Ramseier Stellvertretender BDR-Präsident
Harald Pfab BDR-Vizepräsident Wirtschaft und Finanzen |
IM WORTLAUT: Die
Präsidentin |
„Demokratie verlangt Kompromisse, man ringt um
Mehrheiten und muss akzeptieren, wenn man sich nicht durchsetzt. Das ist
oft harte Arbeit, kostet Zeit und Nerven, aber dieser Prozess der
Entscheidungsfindung hat wesentliche Vorteile: Unterschiedliche
Meinungen werden zusammengeführt, zusätzliche Aspekte einbezogen, was
dann letztlich erst zu wirklich ausgewogenen Ergebnissen führt. Aber es
gibt auch Situationen, in denen der eigene Standpunkt nicht zur
Disposition stehen kann. Das ist für mich seit jeher der Umgang mit
jeglicher Art von unerlaubter Leistungsbeeinflussung im Spitzensport,
wozu neben einer positiven Dopingprobe auch schon der bloße Verdacht
der Einnahme von Dopingmitteln gehört.
Ein solcher Fall muss umfassend aufgeklärt werden - das könnte dem
betroffenen Athleten sogar noch die Chance einer anderweitigen Erklärung
des Sachverhaltes geben - und im übrigen eindeutige Konsequenzen haben.
Wer im Juni Anlass zu der Vermutung gibt, dass EPO oder verwandte
Substanzen eingenommen wurden, kann im August nicht in Athen an den
Start gehen. Es sei denn, er kann die Vermutung glaubhaft entkräften.
Im Dreiklang von Mannschaftsarzt, Bundestrainer und Sportdirektor den
Vorfall zu verschweigen und lediglich zur Vermeidung von Risiken (!!!)
die Überwachung eines solchen Athleten durch ständige Bluttests
anzuordnen, ist unverantwortlich. Ich kann nur Präsidentin eines
Verbandes sein, der sich eindeutig und umfassend gegen Doping ausspricht
und bei jedem Anzeichen von Verstößen unmissverständlich handelt. Das
ist nicht geschehen und wird jetzt von einigen auch als unnötig
hingestellt. Aus meiner Sicht steht der BDR vor einer entscheidenden
Weichenstellung - ich setzte mich dafür ein, dass der Radsport in
Deutschland keine Zweifel an seinem Einsatz für einen sauberen Sport
aufkommen lässt, und freue mich über jede Art von Unterstützung.“
Sylvia Schenk BDR-Präsidentin |
Hintergrund:
Bluttests im BDR |
Der BDR führt in regelmäßigen Abständen bei
allen Kaderathleten zur Vorbeugung von Verletzungen oder Erkrankungen
Gesundheitsuntersuchungen durch, die weit über das Maß der vom
Deutschen Sportbund empfohlenen Untersuchungsrichtlinien für die
Kadersportler hinausgehen. Im Rahmen dieser Untersuchungen erfolgt auch
jeweils eine Blutentnahme. Alle im Vorfeld der Olympischen Spiele 2004
in diesem Zusammenhang untersuchten Olympiakandidaten und späteren
Olympia-Teilnehmer wiesen bei den Blutuntersuchungen jederzeit Werte
innerhalb des vom internationalen Radsportverbandes (UCI) zur
Blutdopingbekämpfung vorgegebenen Normbereichs auf.
Bei einem Sportler lagen bestimmmte Werte im oberen bzw. unteren Drittel
des entsprechenden Normbereichs und wiesen im Vergleich zu seinen
Vorwerten Schwankungen auf. Dies kann folgende Gründe haben:
- Eisenmangel
- Höhenaufenthalt
- verschiedene Erkrankungen (z.B. des Blutzellsystems)
- Doping mit einem erythropoietischen Stimulans (beispielsweise EPO)
Auf diese Tatsache wurden der Sportler und der verantwortliche
Trainer hingewiesen. Im Verlauf wurden zur Kontrolle des Befundes
weitere Analysen des Sportlers in regelmäßigen Abständen durchgeführt.
Die letzte Analyse vor Abreise nach Athen erfolgte am 11.August 2004.
Hier fanden sich jeweils Werte in der Mitte des Normbereichs. In keiner
Weise stellt die erhobene Wertekonstellation einen positiven
Dopingbefund dar, alle Werte lagen jederzeit innerhalb der vom
Internationalen Radsportverband (UCI) zum Zwecke der Blutdopingbekämpfung
festgelegten Grenzwerte für die entsprechenden Variablen. |