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Die EM in Jönköping, respektive Husqvarna 2016 war ein großer Erfolg. Foto: Erhard Goller
28.04.2017 20:53
MTB: Europameisterschaften 2017 von Istanbul nach Italien verlegt

Hagen (rad-net) - Die Cross-Country-Europameisterschaften werden diesen Sommer nicht in Istanbul ausgetragen. Das hat das Management Board des Europäischen Radsport-Verbands UEC mitgeteilt. Nach monatelangen Diskussionen um die politische Situation in der Türkei und dem angekündigten Verzicht einiger wichtiger Nationen sollen die Titelkämpfe vom 27. bis 30. Juli im norditalienischen Darfo Boario Terme stattfinden.

Sechs Terror-Anschläge allein 2016, der Ausnahmezustand, tausende Verhaftungen in der Türkei, diese Gemengelage am Bosporus hat viele Sportler und ihre Verbände zum Nachdenken gebracht. Und schließlich dazu ihren Verzicht auf einen Start, bzw. einer Entsendung zu erklären.

Die Österreicher haben eine solche Entscheidung gefällt, in der Schweiz gab es eine klar ablehnende Haltung, auch in den Niederlanden – bereits vor dem Eklat um den Auftritt der AKP-Vertreter – und in Frankreich. Auch beim Bund Deutscher Radfahrer (BDR), respektive den Bundestrainern Peter Schaupp und Marc Schäfer gab es deutliche Bedenken. Zumal auch das Auswärtige Amt schon im Winter entsprechende Warnungen (Stand 27.04.2017) vor Menschenansammlungen herausgegeben hat. Eine aktuelle Gefährdungslage ist nicht von der Hand zu weisen. Im Vergleich zur EM 2010 in Haifa, Israel, sind ja sogar konkret Ausländer im Visier der Anschläge und noch dazu von zwei verschiedenen, kurdischen und islamistischen Gruppierungen. 

Die Verantwortung wollte man nicht übernehmen, vor allem nicht mit Blick auf die Nachwuchs-Sportler. Wenn ein Elite-Sportler an einer EM in Istanbul teilnehmen wollte, hätte man ihm das auch freigestellt, so war letztlich die Haltung beim BDR. Es gab in Deutschland, aber auch international zwar einzelne Sportler, die trotzdem nach Istanbul gefahren wären, aber das Gros war dagegen.

Die Garantie des Polizeichefs

In der Türkei versuchte man zu beschwichtigen. Ende Dezember war Enrico Della Casa, Generalsekretär der UEC in Istanbul und traf dort den Polizeichef. «37000 Polizisten arbeiten in Istanbul. Der Polizeichef hat mir die Situation detailliert erklärt und gab mir seine Garantie, dass alles dafür getan wird, dass der Event reibungslos verlaufen kann», erklärte Della Casaauf Nachfrage von rad-net.de

Das hat Athleten und Verbände wohl nicht wirklich überzeugt.

Mitte Januar teilte della Casa erneut mit, dass die EM «wie viele andere Events in diesem Jahr» in Istanbul stattfinden werde. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings noch nicht mal bekannt, an welchem Ort genau die Rennen stattfinden sollen. Nur der Plan war bekannt, den Eliminator an der Blauen Moschee zu veranstalten.

Die Moschee ist eine große Touristen-Attraktion in Istanbul und am gab es vor einem Jahr in deren Umgebung schon einen Selbstmord-Anschlag des selbst ernannten Islamischen Staats, bei dem zwölf deutsche Touristen ums Leben kamen.

Von dieser Idee kamen die Verantwortlichen zwar wieder ab, doch entscheidend war das am Ende auch nicht.

UEC arbeitete im Hintergrund an Plan B

Die UEC blieb zwar offiziell bei Istanbul, doch im Hintergrund wurde aktiv an einem Plan B gearbeitet. Dem Türkischen Verband die EM einfach wegzunehmen, funktioniert natürlich nicht so einfach. Wenn aber die wichtigsten Nationen nicht teilnehmen wollen, wird sie auch zur Farce und vermittelt auch kein positives Bild mehr.

Letztlich lässt sich über drei Monate hinweg kaum einschätzen wie sich die Lage in der Türkei entwickeln wird, das unter teilweise fragwürdigen Umständen knapp ausgegangene Referendum am 16. April hat es nicht einfacher gemacht und die Massen-Verhaftungen, die es vor zwei Tagen gegeben hat, auch nicht.

Darfio Boario Terme: In Sachen Cross-Country-Rennen noch unbekannt

Auf diesem Hintergrund konnte man den Türkischen Verband wohl bewegen auf sein Austragungsrecht zu verzichten. Und man hatte mit dem 15.000-Einwohner-Ort Darfio Boario Terme einen Ausrichter gefunden, der sich zutraut, die EM zu stemmen. Mit nur drei Monaten Vorlaufzeit.

«Die Entscheidung ist für mich nachvollziehbar und zu begrüßen, in Anbetracht der Gesamtsituation ist die Verlegung besser. Es geht ja nicht gegen den Türkischen Verband, sondern um die Sicherheit der Sportler», erklärt Bundestrainer Peter Schaupp. Und im Blick auf den neuen Austragungsort: «In Italien haben sie viel Erfahrung und wissen schon was sie machen.»

Ein MTB-Rennen gab es an diesem speziellen Ort allerdings bis dato noch keines. Darfio Boario Terme liegt etwa zehn Kilometer vom nördlichen Ende des Lago d’Iseo entfernt, rund 50 Kilometer nordwestlich von Bergamo. Es gab in Italien wohl weitere Interessenten, auch das eine Stunde entfernte Montichiari war im Gespräch.

«Abwesenheit der wichtigsten Mountainbike-Nationen»

«Die Entscheidung, den EM-Ort zu verlegen war nicht einfach zu treffen. Einige Monate lang hat der Türkischen Verband und in Kooperation mit den türkischen Behörden unnachgiebig versucht den Event bestmöglich vorzubereiten», wird UEC-Präsident David Lappartient in der Pressemitteilung zitiert.

«Durch die unglücklicherweise geringe Beteiligung der Nationalen Verbände und der mehrheitlichen Abwesenheit der wichtigsten Mountainbike-Nationen, sowie in Anbetracht der Live-Übertragung der Rennen mit dem Ziel den Zuschauern möglichst attraktive Wettkämpfe zu bieten, hat das UEC Management Board entschieden, die Mountainbike-EM 2017 nach Darfo Bario Terme zu vergeben, in der Hoffnung, dass sie bald in die Türkei zurückkehren werden.»

Auch wenn in der Türkei allgemein und in Istanbul im Besonderen weiter internationale Sportveranstaltungen über die Bühne gehen, die Mountainbiker haben die Bedenken bezüglich der Türkei nicht exklusiv. Der Deutsche Olympische Sportbund hat wegen Sicherheits-Bedenken im Februar auf die Entsendung einer Mannschaft zu den Europäischen Olympischen Jugendspielen nach Erzurum verzichtet. Wie auch einige andere Nationen.

Und im Straßenradsport kam es zu einer Verschiebung der Türkei-Rundfahrt vom April in den Oktober, nachdem viele Profis, bzw. deren Teams Bedenken geäußert haben. Ob sie dann im Oktober tatsächlich dort stattfindet, wird sich noch zeigen.


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