Mont Saint-Michel (dpa) - Bei diesen Verletzungen musste Teamarzt Helge Riepenhof zu ungewöhnlichen Methoden greifen. Tony Martins von tiefen Risswunden und zahlreichen Abschürfungen geschundener Körper sollte beim Einzelzeitfahren der 100. Tour de France keine Probleme mehr bereiten.
Dafür behandelte der Mediziner von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in Hamburg die Wunden des 28 Jahre alten Radprofis mit einer eigens zusammengemischten Salbe.
Der Hauptwirkstoff darin nennt sich Polyhexanid und dient in erster Linie nicht der Heilung, sondern einem anderen Zweck. «Die Wunden heilen aufgrund der Belastungen eh nicht richtig, wichtiger ist, dass sich keine Infektionen bilden», erklärt Riepenhof, der außer den Radsportlern des Teams Omega Pharma-Quick Step auch noch den englischen Fußball-Zweitligisten Brighton & Hove Albion FC betreut.
Um herauszufinden, was genau die größten Gefahrenquellen für eine Infektion sind, hat der Orthopäde und Unfallchirurg vor einigen Jahren mit Wattestäbchen Abstriche von den Straßenbelägen in verschiedenen Regionen Frankreichs genommen und diese auf Keime untersuchen lassen. «Bei einem Sturz auf die Straße bleibt immer Dreck in der Wunde, egal wie oft man sie ausspült», sagte Riepenhof.
Die ungewöhnliche Idee mit den Asphaltabstrichen kam ihm nach seiner ersten Tourteilnahme 2007 damals noch für das T-Mobile-Team, in dem er die Nachfolge der wegen ihrer Dopingverstrickungen entlassenen Freiburger Ärzte Lothar Heinrich und Andreas Schmidt antrat. «Mein größtes Problem damals waren die Wundinfektionen», sagt Riepenhof. Deshalb hätten vor sechs Jahren nicht alle Fahrer des Teams die Frankreich-Rundfahrt zu Ende fahren können. Das aber ist das Hauptziel seiner Arbeit auch mit Martin. «Tony soll ja bis Paris kommen», erklärt der Arzt.
Anderthalb Wochen nach dem schweren Sturz auf der ersten Etappe, bei dem sich Zeitfahrweltmeister Martin zum Auftakt der 100. Tour de France zahlreiche Verletzungen zugezogen hatte, verläuft der Heilungsprozess nach Plan. «Alles, was jetzt noch zu spüren ist, fühlt sich an wie nach einem normalen Sturz. Das sind wir als Radsportler gewöhnt», sagte Martin, der mit seinem hart erkämpften Sieg im Zeitfahren in Saint-Michel auch den Methoden des Teamarztes Recht gab.