Maastricht (dpa) - WM-Gold im Zeitfahren soll der krönende Abschluss einer von Pleiten, Pech und Platten gekennzeichneten Saison werden: Tony Martin, annähernd zu 100 Prozent wieder fit, setzt große Hoffnung auf die am Sonntag beginnende Straßen-Weltmeisterschaften in Limburg.
Der Wahlschweizer, der seinen Kahnbein-Bruch vom Juli auskuriert hat, setzt alles auf die erfolgreiche Titelverteidigung. Martin und Judith Arndt, die ihren letzten großen Auftritt vor dem Rücktritt hat, sind die großen Trümpfe aus dem 33-köpfigen Aufgebot des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) für die am Sonntag beginnenden Titelkämpfe in den Niederlanden.
Allerdings hat nicht nur BDR-Sportdirektor Patrick Moster eine gewisse, allgemeine Müdigkeit ausgemacht: «Das war eine verdammt harte und lange Saison». An das WM-Ergebnis von 2011 (je zweimal Gold und Bronze) sei ohnehin nicht zu denken. «Wenn wir im Elite- und Frauenbereich je eine Medaille holen, wären wir hochzufrieden», meinte Moster.
Bis zur Olympia-Silbermedaille war Martin vom Pech verfolgt. Erst nahm ihm beim Prolog der Tour de France ein zerschnittener Reifen alle Chancen auf das Gelbe Trikot, dann folgte der Sturz. Im ersten großen Zeitfahren war er stark gehandicapt - außerdem bremste wieder ein Defekt seine Fahrt. Der halbe Juli und August waren wegen der nicht operierten Fraktur in der Hand eine wahre Tortur.
«Jetzt habe ich keine Probleme mehr, für die WM bin ich optimistisch», sagte Martin, nachdem er aus Rücksicht auf die Titelkämpfe die Spanien-Rundfahrt am vorletzten Tag abgebrochen hatte. Die Tatsache, dass der vierfache Weltmeister Fabian Cancellara und der Toursieger und Goldmedaillengewinner Bradley Wiggins beim Zeitfahren nicht am Start sind, dürfte Martins Chancen enorm vergrößern.
Ähnliche Chancen wie dem Omega-Quick-Step-Profi, der auch am erstmals ausgerichteten Mannschafts-Zeitfahren für Firmenteams zum WM-Auftakt teilnimmt, werden Judith Arndt im Einzelzeitfahren eingeräumt. Die Titelverteidigerin, zuletzt in London bei ihren vierten Spielen mit Silber im Zeitfahren dekoriert, steht zum letzten Mal auf internationalem Parkett. «Mit 36 ist Schluss - ich freue mich auf neue Aufgaben», hatte sie in London erklärt.
Im Gegensatz zu den Olympischen Spielen hat auch Hanka Kupfernagel vor den Augen des BDR wieder Gnade gefunden und wurde nominiert - zumindest im Straßenrennen. In ihrer Paradedisziplin ist die Weltmeisterin im Zeitfahren von Stuttgart 2007 nur Ersatz. «Ich freue mich, wieder dabei zu sein und erinnere mich gerne an die letzte WM in Valkenburg, bei der ich 1998 jeweils Bronze im Straßenrennen und Zeitfahren holte», sagte die im Schwarzwald lebende Thüringerin.
Aussicht auf Edelmetall hat neben Junioren und U-23-Fahrern, darunter erstmals Erik Zabels Sohn Rik, auch John Degenkolb im abschließenden Straßenrennen in Valkenburg über 267 Kilometer. Seine fünf Etappensiege bei der Spanien-Rundfahrt sind da der richtige Rückenwind. Aber die Anstiege auf den Cauberg könnten in der Summe doch eine Nummer zu groß sein für den aufstrebenden Thüringer.
Im engsten Favoritenkreis stehen da eher der beim Giro und der Vuelta knapp gescheiterte Joaquin Rodriguez, seine spanischen Landsleute Alejandro Valverde und Vuelta-Triumphator Alberto Contador oder Philippe Gilbert (Belgien) und Vincenzo Nibali (Italien).
Die spannendste Entscheidung in Limburg fällt aber vielleicht gar nicht auf der Straße. Der Weltverband UCI will im Fall Armstrong über die von der US-Anti-Doping-Agentur USADA geforderte Aberkennung der sieben Toursiege beraten und mit einer Doping-Amnestie bei Geständnissen einen grundlegenden Wandel in der Problem-Branche einleiten.