Kirchberg (rad-net) - Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) stellt bei der Weltmeisterschaft im MTB-Marathon am kommenden Wochenende zwar das größte Kontingent, doch die Medaillenchancen der Deutschen sind im österreichischen Kirchberg/T. eher gering. Favorisiert sind der zweifache Marathon-Weltmeister Christoph Sauser, Olympiasieger Jaroslav Kulhavy und Alban Lakata, bei den Damen werden Gunn-Rita Dahle-Flesjaa und Esther Süss als Topfavoritinnen gehandelt.
Nach der Silbermedaille von Moritz Milatz aus Freiburg im vergangenen Jahr in Ornans ist ein ähnlicher Erfolg für die deutschen Marathon-Biker am Samstag nicht zu erwarten. Von den 21 gemeldeten deutschen Herren werden Karl Platt aus Osthofen, Tim Böhme aus Frankfurt/M., Jochen Käß aus Ofterdingen, Hannes Genze aus Sindelfingen und dem Deutschen Meister Markus Kaufmann aus Meckenbeuren allenfalls Außenseiterchancen eingeräumt.
Der EM-Vierte Tim Böhme sieht seine Chancen skeptisch. «Diese langen steilen Anstiege, die liegen mir einfach nicht. Meine Form ist nicht schlecht, aber ich rechne nicht mit einem Top-Resultat», sagt Böhme.
Karl Platt hat sich gezielter auf die WM vorbereitet, doch auch er schätzt die Konkurrenz stärker ein. «Da gibt es ein paar Kollegen, die am Berg super stark sind», meint Platt und verweist auf Christoph Sauser, seinen eigenen Bulls-Teamkollegen Urs Huber, beide aus der Schweiz, aber auch auf den tschechischen WM-Dritten Kristian Hynek und den wiedererstarkten Leonardo Paez aus Kolumbien. Der Weltmeister von 2010, Alban Lakata aus Österreich ist bei seinem Heimspiel natürlich auch besonders motiviert.
Bei Cross-Country-Olympiasieger Jaroslav Kulhavy setzt er ein Fragezeichen. «Die Anstiege sind vielleicht zu steil für ihn», meint Platt, der den Ultra Bike-Marathon in Kirchzarten am vergangenen Sonntag auf Rang zwei hinter Huber und vor Kaufmann beendet hat. Jaroslav Kulhavy hat sich selbst den Sieg zum Ziel gesetzt. «Das ist der einzige Titel, der mir noch fehlt», erklärt der Tscheche seine Ambitionen.
Jochen Käß wurde durch seinen Sturz beim Cross-Country-Weltcup im Val di Sole etwas zurückgeworfen. «Die Oberschenkel-Rückseite hat doch sehr weh getan. Die Folgen habe ich beim Marathon in Kirchzarten noch gespürt. Im letzten Teil hatte ich Probleme weil die Muskulatur zugemacht hat», erklärte Käß, der 2011 WM-Fünfter war. «Ich konnte nach Val di Sole nicht richtig trainieren, eine optimale Vorbereitung ist das nicht.»
Allgemein herrscht sehr viel Respekt vor den 95 Kilometern mit 4400 Höhenmetern. Im Grunde geht es nur Berg hoch oder Berg runter, von den Herren wird zweimal der, vom alpinen Skirennsport bekannte Hahnenkamm, passiert. «Das ist kein normaler Marathon. Ich erwarte ein brutales Ausscheidungsfahren», meint Karl Platt, der die Strecke in den letzten Tagen noch einmal abgefahren ist.
Wer als Erster in die sieben Kilometer lange letzte Abfahrt von der Ehrenbach-Höhe hinab nach Kirchberg hinein fährt, hat noch lange nicht gewonnen. «Da kann sich das Rennen noch drehen», glaubt Christoph Sauser. Der Downhill besteht fast nur aus Singletrail und ist technisch anspruchsvoll. Nach über vier Stunden Fahrzeit ist das eine echte Herausforderung.
Bei den Damen fehlt in Deutschland derzeit eine typische Marathon-Fahrerin, die in der Weltklasse mithalten kann. Nur den verletzten Sabine Spitz und Adelheid Morath oder der nach Bänderverletzung noch nicht wieder fitten Elisabeth Brandau würde man das zutrauen. So hoffen Ann Katrin Hellstern aus Freiburg und ihre acht Mitstreiterinnen auf ein gutes WM-Resultat, im günstigen Fall eins unter den besten Zehn.
Wie sich die Verhältnisse im Kampf um das Regenbogen-Trikot gestalten, lässt sich nur schwer einschätzen. Titelverteidigerin Annika Langvad aus Dänemark war zuletzt nicht in der Top-Verfassung, die man von ihr kennt. Dafür hat sich Gunn-Rita Dahle-Flesjaa aus Norwegen sehr gezielt auf die Marathon-WM vorbereitet. Die 40-Jährige war schon viermal Marathon-Weltmeisterin, auch wenn der letzte Titel schon fünf Jahre zurückliegt. Die Olympiasiegerin von 2004 scheint nicht weit von ihrer Topform entfernt. Zugunsten der Vorbereitung auf die Marathon-WM verzichtete sie sogar auf die Titelverteidigung bei der Cross-Country-EM in Bern.
Ernst zu nehmen ist auch Marathon-Europameisterin Esther Süss aus der Schweiz, die in den letzten vier Jahren bei der Marathon-WM immer auf dem Podium stand. Dieses Trio stand auch im vergangenen Oktober im französischen Ornans in dieser Reihenfolge auf dem Podium.
Ambitionen hat auch Lisi Osl aus Österreich. Für sie ist die Marathon-WM ihr Heimrennen, Osl kommt aus Kirchberg/T., das nur fünf Kilometer von Kitzbühel entfernt ist. Allerdings hat sie fast gar keine Marathon-Erfahrung. Da sieht es bei Vize-Europameisterin Sally Bigham aus. Ihr fehlt noch eine WM-Medaille, aber die langen Anstiege liegen der Britin.
Die Damen fahren «nur» 85 Kilometer und haben 3700 Höhenmeter zu bewältigen. Aber auch sie dürften weit über vier Stunden unterwegs sein, zumal auch noch Regenfälle angekündigt sind. Die Herren starten am Samstag um 8 Uhr, die Damen um 8:30 Uhr.