Le Lioran (dpa) - Selbst ein Stromausfall im Hotel du Golf in Limoges konnte die Energie von Marcel Kittel nicht bremsen.
Der Erfurter Rad-Sprinter köpfte mit einem Messer schwungvoll Champagnerflaschen, schenkte seinen Teamkollegen von Etixx-Quick-Step die Gläser randvoll ein und ließ nach seinem neunten Etappensieg bei der Tour de France die Schlachtrufe «Zickezacke, Zickezacke» folgen. Überglücklich setzte der 28-Jährige anschließend zur Bankettrede an.
«Das war wahrscheinlich der wichtigste Sieg meiner Karriere. Ich bin super stolz auf euch», sagte Kittel und bedankte sich nach einer doppelten Portion Spaghetti mit Pesto bei seinen Teamkollegen. 28 Millimeter Vorsprung vor dem Franzosen Bryan Coquard hatten dem Thüringer im Fotofinish der mit 237,5 Kilometer längsten Etappe der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt gereicht. Mit seinem Coup von Limoges überholte er in puncto Etappensiege den kürzlich verstorbenen Altmeister Rudi Altig.
Nach der kleinen Party erklärte Kittel im Innenhof zwischen Steakhaus und Hotel deutschen Journalisten seine Gefühlswelt. «Das letzte Jahr war ein Mistjahr. Ich wollte mich zurückkämpfen, aber es lief dann hier die ersten Tage nicht so, wie ich es wollte», sagte Kittel, der 2015 nach langer Krankheit und Formschwäche von seinem damaligen Team Giant-Alpecin nicht zur Tour mitgenommen wurde.
Nach dem Wechsel zu Etixx lief es 2016 besser. Doch das erhoffte Gelbe Trikot, das der große Blonde 2013 und 2014 erobern konnte, und einen Tagessieg verpasste er in Utah Beach und Angers knapp. «Das war nun eine riesige Genugtuung, es allen zu zeigen, dass ich zu den Schnellsten gehöre», sagte der bullige 1,88-Meter-Mann und wirkte dabei ausgeglichen wie lange nicht.
Nach den verpatzten ersten drei Tour-Tagen hatte Kittel seine Teamkollegen zu einer mitternächtlichen Teamsitzung einberufen. «Das war ein sehr, sehr positives Gespräch. Wir wollten heute cool bleiben. Ich bin super stolz, dass wir das so gut umgesetzt haben», sagte Kittel. Auch Party-Gast und Teamkollege Tony Martin war happy: «Die Aussprache hat geholfen. Das nimmt einen riesigen Druck von der Mannschaft.» Die «L'Équipe» nannte das Treffen «Gruppen-Therapie».
Mit einem weiteren Etappensieg am Donnerstag in Montauban würde Kittel mit seinem einheimischen Rivalen André Greipel, an dem die Tour zur Zeit etwas vorbeiläuft, in der Bestenliste gleichziehen. «Die sechste Etappe ist noch mal eine gute Chance zum Sprint - danach wird's schwer», erklärte der Etixx-Quickstep-Kapitän, der bei seiner vierten Tour-Teilnahme so abgeklärt wirkt wie ein alter Hase.
Für seinen Sprint-Erfolg, der durch das Zielfoto entschieden werden musste, brauchte er gegen das 24 Kilo leichtere Federgewicht Coquard besonderen Körpereinsatz. Kurz vor der Ziellinie kam es zu einem kleinen Bodycheck. «Das kann man keinem ankreiden, wir waren beide völlig fertig», sagte Kittel. Wenige Stunden vor dem EM-Halbfinale am Donnerstag in Marseille kommt es rund 450 Kilometer weiter westlich auch auf den Straßen der Tour womöglich zu einem weiteren deutsch-französischen Duell.
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