Bordeaux (dpa) - Die Tour de France mag sich gebessert haben. Kein Dopingfall 2009, bisher keine Vorkommnisse bei der Ausgabe 2010. «Aber gewisse Zweifel bleiben», meint Professor Wilhelm Schänzer, Chef des Anti-Doping-Labors in Köln, wo ein Teil der Tour-Proben untersucht werden.
«Wir nehmen Spezial-Analysen vor», sagte Schänzer, wollte aber über die genau Art der Untersuchungen und die Zahl der bisher eingegangenen Proben nichts sagen. Dafür sei der Weltverband UCI zuständig.
Dessen Sprecher Enrico Carpani wollte auch nicht ins Detail gehen, stellte aber ein Kommuniqué nach der Tour in Aussicht und lobte die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen UCI-Kontrolleuren und deren Aufsichtspersonal von der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA. «Das lief beim Giro reibungslos, und das läuft hier reibungslos», teilte Carpani mit, der es als ermunterndes Zeichen wertet, dass eklatante Leistungsunterschiede wie zu Doping-Hochzeiten nicht mehr zu registrieren seien.
So weit würde sich Schänzer nie aus dem Fenster lehnen. «Ich wäre vorsichtig zu behaupten, dass es solche Hinweise gibt, etwa, weil die Tour seit Jahren nicht mehr so schnell ist», gab der Wissenschaftler in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur zu bedenken. Er weiß: «Bei Niedrigdosierungen fällt die Entdeckung schwer und im Problembereich Blutdoping gibt es sicher auch Möglichkeiten, die Margen des UCI-Blutpasses einzuhalten.» Laut Schänzer seien dazu neue EPO-Produkte «in der Pipeline der Produzenten».
Oft genug haben Ausdauer-Athleten bewiesen, dass sie erfindungsreich und skrupellos genug sind, auch vor der Testphase neuer Produkte an entsprechende Präparate zu kommen. Trotz berechtigter Zweifel an der Effizienz des Anti-Doping-Kampfes hofft Schänzer, dass die Fahrer «etwas vorsichtiger geworden» ist. Der 2008 geglückte Nachweis des CERA-Dopings und die Nachkontrollen, über die die ehemalige Gerolsteiner-Prominenz Stefan Schumacher und Bernhard Kohl sowie die italienische Hoffnung Riccardo Ricco stolperten, hätte im Fahrerfeld eine Art schockierende Wirkung gehabt.
Alles besser als früher? Daran glaubt der ehemalige Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer nicht: «Ich habe mal geglaubt, wir bekommen unseren Sport so hin, dass die Chancengleichheit steigt, weil wir wie Sau kontrollieren und das Doping-Risiko zu hoch ist. Inzwischen bin ich aber der Meinung, dass es im Radsport eine Angleichung zu anderen Sportarten gegeben hat». In Vancouver sei das Reizthema zur Nebensächlichkeit geworden, bei der Fußball-WM ebenso. «Was man an der Oberfläche sieht, muss nicht die Realität sein.»
In Frankreich wurde in den vergangenen Jahren oft vom «Radsport der zwei Geschwindigkeiten» gesprochen, um die Erfolglosigkeit der einheimischen Radprofis zu erklären. Sinngemäß nach der einfachen Formel: Wegen des strengen französischen Anti-Doping-Gesetzes müssten die inländischen Fahrer ungleich vorsichtiger zu Werke gehen als ihre Kollegen und seien deshalb quasi chancenlos. Bei dieser Tour nun freuen sich die Gastgeber über die außergewöhnlich hohe Zahl von bereits sechs Etappenerfolgen.
Ein Beweis für einen Radsport mit allgemein weniger Medikamenten? Gut, dass Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy im Ziel der 17. Etappe zum Hobby-Sportreporter wurde und Alberto Contador nach dem Erfolgs-Geheimnis spanischer Athleten fragte. Der mutmaßliche Toursieger 2010 - dessen Name auch einmal auf der Liste des Doping-Doktors Eufemiano Fuentes stand - wusste keine Antwort.