Halberstadt (dpa) - Der neue Rummel scheint Lennard Kämna noch etwas suspekt.
Leise und fast ein wenig schüchtern spricht das nächste große deutsche Radsport-Versprechen zum Auftakt der Deutschland-Tour, die gestiegenen Erwartungen nach seinen furiosen Auftritten bei der Tour de France hat der 22-Jährige aber schnell registriert. «Die Aufmerksamkeit ist auf jeden Fall größer geworden», sagte Kämna. Sein turbulenter Sommer beinhaltete nicht nur zwei großartige Tage bei der Frankreich-Rundfahrt, sondern auch die Bekanntgabe seines Wechsels zu Bora-hansgrohe im Jahr 2020.
Das oberbayerische Team gleicht mit Kämna, dem Tour-Vierten Emanuel Buchmann, Sprinter Pascal Ackermann und Maximilian Schachmann einer deutschen Nationalmannschaft. «Ich denke, dass es für Lennard das richtige Team ist. Auf deutscher Ebene und weltweit sind wir eines der besten Teams. Bei uns werden junge Fahrer extrem sorgfältig aufgebaut», sagte EM-Bronzegewinner Ackermann. Bei Bora soll die Neuverpflichtung den nächsten Schritt nehmen - und zu einem konstanten und kompletten Fahrer heranwachsen.
Mit dem Wechsel sei auf jeden Fall «eine riesige Last abgefallen», sagte Kämna der Deutschen Presse-Agentur in Hannover. Für die vier Etappen bei der Deutschland-Tour habe der Profi vom Team Sunweb eher geringe Erwartungen, die Pläne für ihn sind langfristig angelegt. Sein künftiger Teamchef Ralph Denk lobte: «Es war beeindruckend zu sehen, wie er sich in der letzten Tourwoche präsentiert hat. Als starker Zeitfahrer ist er auch sehr vielseitig einsetzbar.»
Kämna habe bei vielen Teams auf der «Wunschliste» gestanden, sagte Denk. Die hochsommerliche Bescherung mit dem markanten Blondschopf aus Fischerhude gab es im August allerdings nur bei Bora. «Das Umfeld ist extrem professionell und bietet mir die optimalen Entwicklungsmöglichkeiten», analysierte Kämna.
Die vergangenen Jahre, in denen Ackermann, Buchmann und Schachmann von Talenten zu absoluten Spitzenprofis reiften, dürften dabei gewiss eine Rolle gespielt haben. «Bora-hansgrohe wird immer stärker», erklärt Nils Politt, der als einer der letzten deutschen Top-Profis bei einem anderen Rennstall (Katusha-Alpecin) angestellt ist. In der starken deutschen Formation sowie Dreifach-Weltmeister Peter Sagan hat das Team aus Raubling inzwischen für jedes Terrain eine schlagkräftige Aufstellung.
Seine Stärken kann Kämna, dem Vergleiche mit aktuellen oder früheren Top-Fahrern lästig sind, schnell und präzise umreißen: Stark am Berg, stark im Zeitfahren. Ersteres untermauerte er bei der Tour mit einem vierten Platz in den Alpen und einem sechsten Platz in den Pyrenäen. «Immer aktiv, immer vorne dabei und das jeden Tag. Da kann man schon erahnen, dass er sehr belastungsverträglich ist und einen großen Motor hat», sagte Denk. Mit 22 hat Kämna zudem genug Zeit, an seinen Schwächen zu arbeiten.