Lille (dpa) - Bei Nils Politt hat es klick gemacht. Seit der Kölner im vergangenen Jahr in Nimes zum Etappensieger der Tour de France aufgestiegen ist, wird er nicht nur im Peloton anders wahrgenommen. Auch der Blick auf sich selbst ist anders.
«Es hat sich etwas in meinem Kopf verändert», gibt Politt zu. Da ist es nur logisch, dass der Radprofi vom Team Bora-hansgrohe seinen Coup bei der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt wiederholen will.
Nachdem Politt seinen Kapitän Alexander Wlassow in den Auftaktetappen in Dänemark aus allen Gefahren herausgehalten hat, kommt nun sein Terrain. Am Dienstag geht es durch Frankreichs hügeligen und windigen Norden von Dünkirchen nach Calais, tags darauf steht die Kopfsteinpflasteretappe zum Wald von Arenberg an. Die große Frage: Darf Politt fahren? Sportchef Rolf Aldag sagt: «Nils war Zweiter bei Paris-Roubaix, das wissen wir natürlich auch. Doch wir müssen uns auch besinnen und uns sagen, dass die Hauptpriorität auf dem Gesamtklassement mit Alex liegt.»
Taktik noch geheim
Klingt nicht nach freier Fahrt für Politt, doch Aldag könnte auch pokern. Seine taktischen Pläne behält der Ex-Profi des Teams Telekom logischerweise für sich. Denn die Karte Politt kann das Team durchaus spielen, schließlich hat man in dem Österreicher Marco Haller einen weiteren starken Kopfsteinpflasterfahrer als Beschützer für Wlassow dabei.
Das Grüne Licht würde Politt zweifelsohne guttun. Das hat bereits sein Etappensieg im Vorjahr gezeigt. «Danach lief es richtig gut. Ich habe die Deutschland-Tour gewonnen, in diesem Jahr mein Heimrennen Rund um Köln und bin erstmals deutscher Meister geworden», zählt Politt auf. Und mit dem Kopfsteinpflaster hat er in diesem Jahr noch eine Rechnung offen. Eigentlich sollte Paris-Roubaix im Frühjahr sein erster Saison-Höhepunkt werden, doch eine Bronchitis und eine Corona-Infektion durchkreuzten die Pläne.
Also besann sich Politt auf die Tour. «Ich habe einen Cut gemacht, habe das Rad eine Woche beiseite gestellt», erzählt der 1,92 Meter große Profi. «Ich habe dann viel gearbeitet, um in Bestform bei der Tour zu sein. Ich glaube, dass ist mir gerade rechtzeitig gelungen.» Natürlich betont Politt brav, dass es seine erste Aufgabe sei, Wlassow sicher durch die tückische erste Woche zu bringen.
Sieg bei deutscher Meisterschaft
Schon bei den deutschen Meisterschaften eine Woche vor dem Tour-Start im Sauerland zeigte sich, wie grandios die Form von Politt ist. Auf den schweren 190 Kilometern mit gut 3000 Höhenmetern siegte er als Solist. Für einen Fahrer mit seinen körperlichen Gegebenheiten eine starke Leistung, schließlich hatten viele Experten eher einen bergfesteren Fahrer wie Lennard Kämna oder Emanuel Buchmann auf dem Schirm.
In den Auftakttagen in Dänemark zeigte sich Politt dann wieder stark. Auf den letzten 30 Kilometern der Etappe nach Sønderborg war er stets vorn im Wind und schützte Wlassow. Doch so aufopferungsvoll sich Politt als Helfer gibt, so gern würde er auch seine eigene Chance bekommen. «Es macht einfach Spaß, zu gewinnen und die Arme nach oben zu reißen. Das wird sich auch nie ändern.»