Cambrai (dpa) - Von seiner früheren Passion will der Tour-Rekordteilnehmer Jens Voigt nichts mehr wissen. «Ich fahre freiwillig keinen Meter mehr. Scheiß auf dieses Hecheln und Schwitzen - ich sieze mein Fahrrad inzwischen», sagt der 43-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.
Im vergangenen Jahr fuhr er seine 17. und letzte Tour. Jetzt hat er umgesattelt und tritt bei der 102. Frankreich-Rundfahrt als TV-Experte beim US-Sender NBC auf. Von seiner Wortgewalt und Impulsivität hat der Mecklenburger aus Berlin-Grunewald nichts eingebüßt.
Die Inaktivität hat seiner Meinung nach dagegen schon Spuren hinterlassen: «Ich habe an der Hüfte Speck, zum ersten Mal über zehn Prozent Körperfett - jetzt geht es nur noch downhill», meinte Voigt, dem die Sport-Abstinenz nicht anzusehen ist - zumal er vorteilhaftes Schwarz trägt.
Voigt bleibt auch als Ex-Profi hyperaktiv. «Ich habe erst einmal zu allem Ja gesagt. Ich habe weiter einen Vertrag bei meinem Trek-Team, arbeite fürs Fernsehen, stehe für Sponsoren-Meetings bereit und promote meine T-Shirt-Produktion. Außerdem ist die englische Version meines Buches 'Shut up Legs' so gut wie fertig», umreißt der zweifache Träger des Gelben Trikots (2001 und 2005) sein neues Betätigungsfeld. «Ich bin eher noch weniger zu Hause als früher», sagt der sechsfache Vater.
Sein Buch mit dem von ihm kreierten Motivationsspruch gegen müde Glieder soll auch ins Deutsche übersetzt werden. «Das ist Entertainment, ich will keinen Literatur-Nobelpreis gewinnen», meinte Voigt und ist dann doch bei dem Thema angelangt, das ihn sonst in die Luft gehen lässt. «Da steht nichts Schockierendes drin. Womit sollte ich abrechnen?», meint Voigt, legt den Kopf zur Seite und fragt seine Gesprächspartner: «Habt ihr euch mal überlegt, dass ich vielleicht doch immer die Wahrheit gesagt habe?»
Bei NBC ist unter der Moderation des kompetenten Ex-Profis Paul Sherwen seine Expertise geschätzt. «Wir senden jeden Tag vier Stunden. Die mögen meinen deutschen Akzent», berichtet Voigt, der bei der Tour noch immer tausend Hände schütteln muss.
Wehmut nach dem Abschied aus dem Metier herrschte laut Voigt nur anfangs. Aber er machte nach der vergangenen Saison einen Strich unter sein Radfahrer-Leben, nachdem er in Grenchen in der Schweiz noch einen Stundenweltrekord (51,115 Kilometer) mit wenigen Wochen Haltbarkeit aufgestellt hatte. «Ich will nicht mehr diese Einschnitte ins Leben, diese Schmerzen, dieses Leid», sagt Voigt. «Es war eine schöne Zeit - aber jetzt kommt etwas anderes».