Varese (rad-net) - John Degenkolb aus Gera hat mit Bronze im Rennen der U23 bei der Rad-Weltmeisterschaft in Varese im die Erfolgsserie des Bund Deutscher Radfahrer (BDR) fortgesetzt und dem Verband bereits die vierte Medaille gesichert. Nach 173,35 Kilometern musste sich der 19-Jährige mit einer Energieleistung im Sprint einer zehnköpfigen Gruppe nach 4:17:03 Stunden nur dem kolumbianischen Überraschungssieger Fabio Andres Duarte Arevalo und dem zweitplatzierten Simone Ponzi aus Italien geschlagen geben. Selbst nach der Siegerehrung konnte Degenkolb, der im ersten Jahr in der U23 fährt, seinen Erfolg noch gar nicht fassen: „Ich bin einfach nur glücklich, ich kann es noch gar nicht beschreiben, ich bin einfach nur glücklich“, so der WM-Dritte.
Degenkolb, der einen Tag nach dem Zeitfahr-Titel von Bert Grabsch im BDR-Lager für den vierten Tag Feierlaune in Folge sorgte, war über das gesamte Rennen mit seinem Team auf der Höhe des Geschehens und gehörte zu den aktivsten Fahrer im Rennen und konnte sich jederzeit auf seine Teamkollegen verlassen. „Wir hatten eine super Taktik - alles hat gepasst. Ich bin überwältigt und ziehe meinen Hut vor Dominik Nerz, der sich aufgeopfert hat», sagte Degenkolb.
Bereits in der ersten Gruppe, die sich entscheidend absetzen konnte, war Dominik Nerz vertreten. Dazu kamen noch der 21-jährige Deutsche Meister Martin Reimer sowie John Degenkolb. Reimer fiel zurück, aber Nerz und Degenkolb kämpften mit dem Italiener Caruso und dem späteren Weltmeister Duarte weiter und zwischenzeitlich in einer vierköpfigen Gruppe an der Spitze. „Wir haben natürlich untereinander gesprochen, wer gut drauf ist. Aber bei Martin Reimer hat man am Berg gesehen, dass er Probleme hatte und Dominik hat mir gesagt, dass er nicht die besten Beine hat. So musste ich das Zepter in die Hand nehmen, und das habe ich gemacht. Mein Ziel war dann nur, über den letzten Berg drüber zu kommen, und das hat geklappt. Wahnsinn“, so Degenkolb.
So befand sich der ebenfalls erst 19-jährige WM-Debütant Dominik Nerz (Wangen) in einer elfköpfigen Spitzengruppe, die sich schon in der zweiten von zehn 17,5-km-Runden auf dem anspruchsvollen Kurs in Varese gebildet hatte. Überwältigt von den Leistungen seines Teams zeigte sich auch BDR-Sportdirektor Burckhard Bremer: „Ich hätte mir natürlich die ein oder andere Medaille in Peking gewünscht. Aber ich bin natürlich froh, wie eindrucksvoll unsere Fahrer und Fahrerinnen hier bei der WM ihre Leistungsfähigkeiten unter Beweis stellen. Diesen Erfolg müssen wir uns jetzt auch im Bahnbereich erarbeiten“, so Bremer, der dem Nachwuchstrainer Patrick Moster und seinem Team nur großes Lob ausstellen kann.
Ehre, die Moster jedoch gleich weitergibt: „Die Gratulation gehört nicht mehr, sie gehört dem Team“, so Moster. „Dominik Nerz war eigentlich nur für 120 Kilometer vorgesehen, hat sich aber bis zum Schluss geopfert. Hut ab“, sagte Moster zur Leistung seines jüngsten Schützlings. „Die ganze Mannschaft hat genau das umgesetzt, was wir im Vorfeld besprochen hatte“, sagte der Bundestrainer weiter. „Heute haben wir Werbung in eigener Sache gemacht.“
Seine sechs deutschen Straßenfahrer waren hellwach: Sie waren von Beginn an in jeder Fluchtgruppe dabei. Als sich zwei Runden vor Schluss die vorentscheidende Konstellation ergeben hatte, waren Dominik Nerz aus Wangen und Degenkolb mit von der Partie. Nerz' Kräfte reichten nur bis zur neunten und vorletzten Runde, dann fiel er zurück. Er hatte vorher noch mehr geackert als Degenkolb.
Der aus deutscher Sicht am stärksten eingeschätzte Domenic Klemme aus Bielefeld, der in der kommenden Saison zum dänischen Profiteam CSC-Saxo-Bank wechseln wird, präsentierte sich ebenfalls stark, kam aber erst mit der Verfolgergruppe ins Ziel. „Ich war am Ende so platt, in der letzten Runde ging mir einfach die Luft aus. Ich war noch bei Rui Costa am Hinterrad weil ich wusste, dass er noch angreifen würde, aber da konnte ich einfach nicht mehr mitgehen“, so Klemme. „Aber mit Dege war heute genau der richtige Mann vorne, er war heute der stärkste Fahrer von uns und hat seine Medaille verdient gewonnen.“
Ähnlich äußerte sich auch Paul Voß: „Unglaublich, die beiden Frischlinge fahren hier vorne mit. Hut ab auch vor der Leistung von Dominik Nerz, der sich heute zu 100 Prozent geopfert hat, absolut starke Leistung.“ Mit sich selber war Voß dagegen nicht ganz zufrieden: „Am Anfang hat es sich eigentlich noch ganz gut angfühlt, aber als es dann richtig schnell wurde, hatte ich meine Probleme. Aber ich denke, ich habe eine sehr lange Saison hinter mir und auch eine sehr erfolgreiche, jetzt ist die Luft etwas raus. Aber wenn die Gruppe zusammen gelaufen wäre, da waren Dominik Klemme und ich noch drin, hätten wir aber wohl nochmals alle Chancen gehabt. So war das heute ein perfektes Rennen für uns.“
Die Kräfte von John Degenkolb reichten dagegen bis zum Finale, obwohl er über mehrere Runden selber zu den Tempomachern an der Spitze gehört hatte. Die ersten Glückwünsche seiner Team-Kollegen nahm der 19-Jährige am Ende liegend auf dem Asphalt entgegen.