Berlin (rad-net) – Für das zukunftsweisende Projekt «Bike Citizens» ist der «autofahrende Städter» ein Relikt der Vergangenheit. Mit kommunalen Pilotprojekten sollen Akzeptanz und Nutzung des Fahrrades gerade im städtischen Raum weiter gestärkt werden. Schon jetzt gibt es nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verbandes im Bundesgebiet 60 Prozent mehr Fahrräder als Autos – das müsse sich auch in der Stadtentwicklung und Verkehrsplanung niederschlagen. Nach einer Studie zur allgemeinen Fahrradnutzung in Deutschland nutzen über 40 Prozent der Deutschen das Rad als Verkehrsmittel für den Alltag – mit radoptimierten Serviceleistungen will «Bike Citizens» diese Quote weiter ausbauen.
Kopenhagen, Amsterdam aber auch das westfälische Münster, Deutschlands Fahrradhauptstadt, machen schon seit Jahren vor, welchen Stellenwert Radfahren für die Verbesserung der Lebensqualität und die Entlastung der städtischen Infrastruktur einnimmt. Vor drei Jahren wurde in Kopenhagen mit dem C99 die erste von insgesamt 26 geplanten Fahrrad-Autobahnen, den so genannten «Cykelsuperstis» eingeweiht, um den Radverkehr zu beschleunigen und den Umstieg auf die unmotorisierten Zweiräder größtmöglich attraktiv zu machen. Mit Erfolg: Über 55 Prozent der knapp 600.000 Kopenhagener nutzen die Fahrrad-Schnellstraßen. Mit dem Auto fährt mittlerweile nur noch eine Minderheit. Die Fahrrad-Autobahnen sollen nun auch die rund 30 Prozent der Pendler, die bislang noch mit dem Auto fahren, zum Umstieg bewegen. Die Rechnung scheint mehr als aufzugehen: Kopenhagen verzeichnet nicht nur eine jährliche CO2-Einsparung von 110.000 Tonnen gegenüber vergleichbaren Städten, sondern landet mit einem attraktiven Mix aus urbaner Kultur und Lebensqualität immer in den Top-Ten der weltweit lebenswertesten Städte.
Diese Vorbilder sowie massive Veränderungen und Investitionen in die Fahrradinfrastruktur in Metropolen wie Paris und London hinterlassen auch hierzulande ihre Spuren. Freiburg und Bremen beweisen bereits seit Jahren, wie entsprechende Investitionen, gekoppelt mit einem starken politischen Umsatzwillen, das Stadtbild verändern können. Frank Uekermann, Leiter des Bereichs Mobilität und Verkehr sowie Umwelt und Natur der Stadt Freiburg im Breisgau, erkannte, dass Freiburgs Infrastruktur den jährlichen Bevölkerungszuwachs auf Dauer nicht tragen kann. So ist die Einführung von Radschnellwegen unter anderem ein gewichtiger Teil des Radverkehrskonzepts 20/20 der Breisgau-Metropole Freiburg. «In einer schnell wachsenden und historischen Stadt wie Freiburg kann man die Vorteile des Radverkehrs nutzen, um Probleme im motorisierten Verkehr zu beheben. Durch die derzeitige Radinfrastruktur ist das Rad nicht nur das angenehmste, sondern auch das schnellste Verkehrsmittel in Freiburg mit ausreichenden Kapazitäten für alle Nutzer. Dies ermöglicht ein weiteres Bevölkerungswachstum, ohne die sehr kostenintensive Verkehrsinfrastruktur des motorisierten Verkehrs unnötig zu belasten oder zu erweitern. Die Investitionen in die Radinfrastruktur sind bedeutend niedriger und fördern zudem das zeitgemäße Stadtbild der Wohlfühlstadt», resümiert der unter anderem für die Verkehrsplanung zuständige Amtsleiter.
Bremen konzentriert sich mit seiner ins Leben gerufenen Marke bike it! auf die Förderung von Radmobilität und behauptet damit seinen dritten Platz im ADFC-Fahrradklimatest. Die Hansestadt animiert nicht nur durch eine radoptimierte Infrastruktur seine Einwohner, auf das Rad umzusteigen, sondern schafft durch einen attraktiven Service rund ums Rad auch eine große Nachfrage unter Touristen. In Kooperation mit den Mobilitäts-Experten Bike Citizens und deren Fahrrad-App bietet die Stadt fahrradfreundliche, individuelle Navigation sowie Touren durch Stadt und Umland. Ergänzt wird das Angebot von Veranstaltungen und Gewinnspielen rund um urbane Mobilität. «Mit bike it! haben wir einen großen Meilenstein innerhalb unserer Agenda umgesetzt: Fahrräder werden zunehmend häufiger benutzt, was unter anderem auch Auswertungen von Verleih- und Sharing-Portalen sowie die Bike Citizens Heatmap belegen. In der heutigen Zeit ist es nicht nur wichtig, Infrastruktur zu stellen, sondern auch mit Zusatzangeboten Einwohner als auch Besucher der Stadt zu motivieren, die Stadt auf eine völlig neue Art und Weise zu entdecken», erklärt Jens Joost-Krüger, Projektleiter bei der Wirtschaftsförderung Bremen. «Wir setzen weiter auf die Verbesserung der Radverkehrsqualitäten und darauf, die Bedeutung des Radfahrens für urbane Lebensqualität bewusst zu machen. Außerdem wollen wir besonders diejenigen für das Radeln gewinnen, die den Spaß am Radfahren noch nicht entdeckt haben.»
Wie stark das Interesse der Bevölkerung an der Umwandlung von deutschen Großstädten zu Fahrradmetropolen mittlerweile ist, beweist auch Green City in München. Neuestes Projekt des 1990 gegründeten Vereins ist das Radlshuttle, dem sich Pendler anschließen können und von Mitarbeitern des erneuten UN-Dekade-Projekts sicher durch brenzlige Gefahrenbereiche in Hauptverkehrszonen geleitet werden. «Insbesondere mit dem Radlshuttle war es uns wichtig, eine Möglichkeit aufzuzeigen, wie man mit dem Fahrrad sicher und entspannt zum Arbeitsplatz kommt. Wir erhielten durchweg positive Reaktionen. Selbst mit den Autofahrern in der Rush-hour gab es bisher kaum Probleme. Das stimmt uns positiv und ermutigt uns, den Weg weiter zu gehen und München zu einer Stadt der Radfahrer zu machen», so Mobilitäts-Experte Christian Grundmann von Green City.
Zwar werden Deutschlands Straßen noch von Autos dominiert, dennoch ist ein Wandel deutlich spürbar. Radfahren ist nicht nur Mittel zum Zweck, sondern wird wesentlich stärker mit Entspannung und Wohlbefinden verknüpft und findet mehr und mehr seinen Einzug in den modernen Lifestyle. Innovative Urbanisten, ob Organisationen, Stadtentwickler oder Anbieter radoptimierter Services wie Bike Citizens haben dieses Potenzial einer Radkultur für das städtische Zusammenleben längst erkannt und arbeiten an Zukunftsmodellen.
Mit der Mission mehr Menschen in Städten fürs Radfahren zu begeistern und damit Städte lebenswerter zu gestalten, fokussiert sich Bike Citizens auf App-Technologie, Datenanalysen und Fahrradpromotion. Das Unternehmen wurde 2011 von den zwei ehemaligen Fahrradkurieren Daniel Kofler und Andreas Stückl mit einem Startkapital von 1500 Euro in Graz gegründet. Heute besteht ihr Team aus 25 Bike Citizens sowohl in Graz und Berlin. Die Idee: ihr Know-how über das urbane Radfahren in einer App zu teilen.
Die eichnamige App, verfügbar in über 200 Städten in über 34 Ländern, führt Radfahrer mit Turn-by-Turn-Routing und auch offline über die besten Wegen durch die Stadt. Gemeinsam mit renommierten Forschungs- und Entwicklungsinstitutionen arbeitet Bike Citizens zudem an der Auswertung und Visualisierung fahrradbezogener Daten für eine nachhaltige städtische Verkehrsplanung. Mit den Städten Graz, Bremen und Wien bestehen bereits städtepolitische Kooperationen.