Sigulda (rad-net) - Bei der Marathon-Europameisterschaft der Mountainbiker im lettischen Sigulda wird ein Nachfolger von Olympiasieger Jaroslav Kulhavy gesucht. Die deutschen Hoffnungen ruhen auf den Bulls-Bikern Tim Böhme und Simon Stiebjahn. Bei den Damen gilt die Britin Sally Bigham als Favoritin, einzige Deutsche auf der Startliste ist Stefanie Dohrn. Titelverteidigerin Sabine Spitz ist nicht am Start.
103 Kilometer auf drei Runden (19, 45 und 39 km) haben die Herren am Sonntag zu bewältigen. Wenn man sich Profil und Höhenmeter (1827 m) zu Gemüte führt, dann ist ein schnelles Rennen zu erwarten. Eines, das sowohl Tim Böhme als auch Simon Stiebjahn vom Team Bulls entgegen kommen müsste. Der Konjunktiv muss bemüht werden, weil kaum einer der Top-Fahrer aus Mitteleuropa in Lettland jemals ein Rennen gefahren ist. Und so sind die deutschen Herren erst einmal gespannt, was auf sie zukommt.
«Es läuft recht gut», zeigt sich Stiebjahn optimistisch. Das Thema Olympia habe er mental hinter sich gelassen. «Das hat mich doch sehr beschäftigt, auch wenn ich mir selber nie Druck gemacht habe.» Jetzt ist die Frage, wie gut sich die Cross-Country-Form auf die Langdistanz übertragen lässt. Auf das Profil bezogen dürften die Phase mit den intensiven Cross-Country-Rennen aber eher von Vorteil gewesen sein. Bulls-Teammanager Friedemann Schmude weiß, dass auch Böhme mit den kürzen Anstiegen viel anfangen kann. «Um diese Jahreszeit weiß man bei Tim allerdings nie genau wo er steht», sagt Schmude auch.
Das gilt ein Stück weit auch für Cape-Epic-Sieger Urs Huber. Der Schweizer gehört zu den Medaillenkandidaten, obschon er längere Anstiege bevorzugt. «Ich bin überzeugt, dass er konkurrenzfähig sein wird. Einfach nur so fliegt Urs nicht nach Lettland», meint Schmude.
Eine Stall-Order gibt es allerdings nicht. «Jeder auf eigene Faust und dann das Maximum rausholen», sagt Stiebjahn. Im Zweifel wird sich das Bulls-Trio dann schon gegenseitig unterstützen, aber vor dem Rennen ist erst mal alles offen.
Karl Platt verzichtet nach seinem Cross-Country-Intermezzo auf einen Start bei der EM, um sich gezielter auf die WM vorbereiten zu können. Auch der EM-Zweite des Vorjahres, Sascha Weber (BQ Cycling) wird nicht dabei sein. Sein kleines Team kann ihm die Reise dorthin nicht finanzieren. «Deshalb werde ich mich auf die WM und die DM konzentrieren», sagt Weber.
Eine Stall-Order gibt es auch beim Topeak-Ergon-Duo Alban Lakata und Kristian Hynek nicht. Beide haben Optionen, beide waren schon Marathon-Europameister. Der Österreicher zweimal (2008 und 2013), der Tscheche einmal (2012). «Ich konnte seit meinem Sieg in Singen noch mal gut trainieren», sagt Weltmeister Lakata. «Jetzt fühle ich mich gut und bin zuversichtlich, dass die Form für eine Medaille reicht.»
Teamkollege Hynek bezeichnet seinen Kollegen auf Kursen mit dem angesprochenen Sägezahn-Profil als «Power-Maschine». Er selbst habe seit seinem Sieg auf Elba das Gefühl, dass es ständig aufwärts gehe. «Es wäre schön, wenn einer von uns beiden gewinnen könnte. Ich mag ja längere Anstiege lieber, aber wenn es gut läuft, kann ich auch auf solchen Strecken erfolgreich sein», sagt Hynek.
Damen: Sally Bigham die große Favoritin
Bei den Damen muss Sally Bigham (Topeak-Ergon) als Top-Favoritin gelten. Die Britin wäre mit einem Titel auch mal dran. Viermal hintereinander (2011-2014) war sie Vize-Europameisterin. «Vier Silbermedaillen sind genug. Ich würde liebend gerne eine Goldene haben», sagt Bigham, die im Frühjahr eine eindrucksvolle Siegesserie hinlegte. Sie verweist aber auch auf die Besonderheit der Strecke, auf der es nicht ganz so einfach werden könnte, einen Abstand zu machen.
Ihre wichtigsten Herausforderinnen: Teresa Nemcova (früher Hurikova), die Europameisterin von 2014, die Norwegerin Hildegunn Hovdenak, Janka Keseg-Stevkova aus der Slowakei und Magdalena Sadlecka aus Polen, möglicherweise auch noch die Schwedin Jennie Stenerhag.
Stefanie Dorhn (Pschick Racing) vom MSV Essen-Steele vertritt die deutschen Farben. Sie hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesteigert. Für die Medaillenränge wird es in Lettland vermutlich (noch) nicht reichen, aber für eine Top-Ten-Platzierung ist Dohrn allemal gut.
Die Damen haben - auf demselben Profil - 80 Kilometer zu bewältigen. Zwei Runden (39 und 41km) stehen auf dem Programm in einem Ort, der Wintersport-Liebhabern durch den Rodel-Weltcup bekannt ist. Wer mit wem da am Sonntag Schlitten fährt, wird man sehen.