Baar (rad-net) - Am vergangenen Wochenende fand in Baar (Schweiz) der Nationencup der Kunstradsportler und Radballer der Länder Deutschland, Schweiz und Österreich statt. Das Turnier läutete die heiße Phase im Hinblick auf die Weltmeisterschaften, die vom 6. bis 8. Dezember in Basel und damit ebenfalls in der Schweiz ausgetragen werden, ein. Mit dabei war auch der Weltmeister im 1er Kunstfahren, Lukas Kohl, der deutsche Dominator, der in zwei Wochen sein Regenbogentrikot verteidigen will. Für ihn war der Länderkampf nochmal eine wichtige Probe in Richtung WM.
«Die Bedingungen waren allerdings nicht so einfach», beginnt der 23-Jährige. «Wir hatten nur vier Minuten Einfahrzeit und ich musste sieben Stunden auf meinen Start warten.» Für die Kunstradsportler ist es wichtig, sich auf die Fahrfläche und die Bodenbeschaffenheit einstellen zu können - auch, um entscheiden zu können, wie viel Luft sie auf die Reifen pumpen. «Man kann es sich nur schwer vorstellen, aber es kann derselbe Boden sein, aber wenn er mit einem anderen Putzmittel gereinigt wurde, fährt er sich ganz anders - das spüren wir sofort.» Dennoch war Kohl mit seiner Leistung zufrieden. Mit 204,71 Punkten blieb er als einziger wieder deutlich über der 200-Punkte-Marke.
Der Wettkampf in der Schweiz galt als eine Art erster WM-Test, denn es waren - zumindest im Kunstrad - nur die jeweiligen WM-Teilnehmer der drei Nationen am Start und somit auch für alle eine Standortbestimmung. «Wir hatten dort noch einmal die Möglichkeit, auf Parkett zu fahren, denn die WM wird auch auf Parkettboden sein. In Deutschland fahren wir meistens auf Kunststoffböden. Parkett ist schneller und man merkt die einzelnen Stücke. Entscheidend war aber auch, dass wir dort mit dem Bundestrainer zusammenarbeiten konnten. Bei den anderen Wettkämpfen begleiten uns unsere Heimtrainer, aber bei der WM steht der Bundestrainer an der Fahrfläche. So war es wichtig, dass wir uns dort noch einmal abstimmen konnten, welche Anweisungen wir zum Beispiel benötigen, damit das bei der WM dann gut funktioniert», erklärt Lukas Kohl im Gespräch mit rad-net.
Die Kür von Lukas Kohl für die Weltmeisterschaft steht. «Ich ändere an der Kür nur etwas, um die Schwierigkeit zu erhöhen, aber das macht vor der WM keinen Sinn mehr, sondern nur, wenn man die Änderungen auch schon bei anderen Wettkämpfen vorher erproben konnte.» Allerdings ist der sympathische Bayer bereits am Ende des Reglements angekommen. «Ich beherrsche alle Tricks», kann er selbstbewusst von sich behaupten. Er könnte die Schwierigkeiten nur noch erhöhen, in dem er anstatt halbe Drehungen ganze Drehungen ausführt oder anstatt einer normalen Runde Achten fährt. «Das würde nochmal ein paar Zehntelpunkte mehr bringen, allerdings haben wir ja auch nur fünf Minuten Zeit, die wir nicht überschreiten dürfen.» Aber mit seinen 211,60 Punkten reicht er ohnehin schon deutlich die meisten Punkte bei den Wettkämpfen ein.
Ob er auch einen neuen Trick erfinden würde, um die Schwierigkeit seiner Kür zu erhöhen? «Da bin ich nicht so der kreative Typ», sagt er. Aber das ist nicht das einzige Problem. Ein neuer Trick kann nicht so einfach in die Kür aufgenommen werden. Es wäre ein bürokratischer Prozess, der sich einige Zeit hinziehen würde. Der Weltradsportverband UCI müsste ihn erst ins Regelwerk aufnehmen und den Schwierigkeitsgrad festlegen. Dafür müssten Videos eingereicht werden, der Trick genau definiert werden und schließlich auch ein Trainingskonzept vorgelegt werden, wie die Sportler ihn ohne Verletzungsrisiko erlernen können. Alles in allem würde das über ein Jahr dauern.
Lukas Kohl benötigt aber auch eigentlich keine neuen Tricks, wie er zuletzt mit seinem Weltrekord von 214,10 Punkten bewies - und damit kam er auf mehr Punkte, wie er eingereicht hatte. Dazu nutzte der die taktischen Möglichkeiten, den Drehsprung und die Lenkerstanddrehung zu erweitern, das heißt: «einfach» mehr Rotationen zu schaffen, wie man ursprünglich eingereicht hat. «Die Entscheidung, ob man erweitert, fällt spontan. Je nachdem wie ich in der Zeit liege, erweitere ich die Lenkerstanddrehung; und je nachdem wie die Drehungen vorher liefen, erweitere ich den Drehsprung», erläutert Kohl. Dabei ist aber auch das Risiko abzuwägen. «Für einen Sturz gibt es zwei Punkte Abzug, aber je nachdem wann der Sturz passiert wird womöglich auch der ganze Trick abgezogen. Und aufgrund der knappen Zeit, kann man das nicht wiederholen.» Auf seinen Weltrekord ist er deshalb auch besonders stolz: «Im Schnitt bekomme ich sechs bis sieben Punkte Abzug. Dass bei meinem Weltrekord nur zwei Punkte abgezogen wurden, lässt sich so schnell nicht wiederholen. Deshalb hoffe ich, dass mein Rekord einige Zeit Bestand haben wird.»
Am kommenden Wochenende wird in Erlenbach das Weltcup-Finale ausgetragen. Für alle ist das die WM-Generalprobe. «Man kann dort unter extremen Lichtverhältnissen testen. Das heißt, die Fläche ist extrem hell und die Zuschauer sitzen im Dunkeln. Dazu kommt, dass wir wegen der vielen Scheinwerfer stets unseren Schatten mehrfach sehen und gerade bei Pirouetten kann das irritierend sein.» Aber natürlich geht es auch um den Gesamtsieg. Nachdem er die ersten drei Weltcupläufe gewonnen hat, kann der Wirtschaftsingenieur-Student von Uni Erlangen-Nürnberg, der kurz vorm Masterabschluss steht, dürfte ihm der Gesamterfolg nur noch schwer zu nehmen sein. «Aber das Finale zählt doppelt, sodass sich noch alles ändern kann. Dennoch bin ich guter Dinge, dass ich mit einem Lächeln von der Fläche gehen kann.» Kohl sei es zudem wichtig, mit einer guten Kür nach Basel aufbrechen zu können.
Das wollen natürlich auch die anderen deutschen Kunstradsportler. Optimistisch können sie auf jeden Fall sein, denn Deutschland, das aktuell die Weltmeister in allen fünf Kunstrad-Disziplinen stellt, gewann am Wochenende den Nationencup. Mit 52 Punkten setzte sich das Team des Bund Deutscher Radfahrer (BDR) vor der Schweiz mit 31 Punkten und Österreich mit 20 Punkten durch.
Bevor es zum Weltcup und der WM geht, ist Lukas Kohl aber noch nach Baden-Baden zu einer Pressekonferenz für die «Sportler des Jahres» eingeladen, denn auch die nicht-olympische Sportart, bei der die Sportler Höchstleistungen auf zwei Rädern präsentieren, bringt sich für die Wahl zum 2019 in Stellung. «Das zeigt eine große Wertschätzung», so Kohl.