Cuneo (dpa) - Beim Start des Jubiläums-Giro in Venedig wurde Lance Armstrong hofiert wie der Heilsbringer des Radsports. Jetzt - knapp zwei Wochen später - sind die Fronten zwischen dem prominenten Rückkehrer und dem ihm einst so gewogenen Rundfahrt-Chef Angelo Zomegnan verhärtet.
Der siebenfache Tour-de-France-Sieger muss sich vom Chef der Italien-Rundfahrt, der den Texaner als wirkungsvollen PR-Magneten zum 100. Geburtstag des Giro d'Italia eingeladen hatte, jetzt sogar billige Häme gefallen lassen.
Als Reaktion auf die Auseinandersetzungen um den Bummelstreik der Radprofis in Mailand und den Horror-Sturz des spanischen Profis Pedro Horrillos forderte Armstrong die Gründung einer Fahrer-Gewerkschaft und ging auf Konfrontationskurs zu Zomegnan. «Wir müssen eine solche Organisation haben, die unsere Interessen vertritt. Wir müssen sagen können: Dieser Kurs ist sicher und dieser nicht. Ohne eine Gewerkschaft werden wir nie mit einer Stimme sprechen und wahrgenommen werden», sagte der 37-Jährige, der sich zum Sprecher der Giro-Starter gemacht hat.
Einen Tag nachdem Horrillo bei einer Bergabfahrt 80 Meter in eine Schlucht gestürzt war und sich schwer verletzte, war die Etappe in der Giro-Geburtsstadt Mailand neutralisiert worden. Die Fahrer monierten die unsichere Streckenführung mitten durch die Metropole und bummelten mit Ausnahme der letzten von 15 Runden im Touristen-Tempo ins Ziel. «Die Bedingungen waren nicht sicher. Parkende Autos standen im Weg, Straßenbahn-Schienen behinderten unsere Fahrt genauso wie der Straßenverkehr», monierte Armstrong.
Zomegnan hatte kein Verständnis für den Protest: «Dieser Kurs macht explosives Fahren nötig und manch ältere Fahrer bekommen ihren Hintern vielleicht nicht mehr so schnell hoch.» Ob der Ex-Journalist damit Armstrong meinte, wollte der Giro-Chef nicht sagen: «Ich nenne niemals Namen von Leuten, die mich enttäuscht haben, genauso wie ich die Frauen nicht nenne, bei denen ich abgeblitzt bin.»
Die frische Erinnerung des Sturzes von Horrillo und die Situation in Mailand sei nur eine «Anhäufung von gefährlichen Situationen» bei diesem 92. Giro gewesen, sagte Armstrong, der im hohen Rennfahrer-Alter von fast 38 Jahren seine Premiere bei der Italien-Rundfahrt erlebt. Der siebenfache Tour-de-France-Sieger erweitere seine Mängelliste nach dem Ruhetag. «Wir sind auch in unbeleuchtete Tunnel gefahren. Mit 50 Stundenkilometern da rein zu fahren - das ist verrückt», sagte der Texaner, der sich vor sieben Wochen in Spanien bei einem Sturz das Schlüsselbein gebrochen hatte.
Inzwischen befindet sich Horrillo in einem stabilen Zustand. Das der Sportliche Leiter seines Teams Rabobank, Erik Breukink, am Start der 10. Etappe von Cuneo nach Pinerolo. «Seine Frau ist jetzt bei ihm. Er ist immer noch medikamentös ruhiggestellt. Wir hoffen aber, dass er heute im Laufe des Tages aufwacht und auch ansprechbar ist», sagte Breukink der Deutschen Presse-Agentur dpa.
«Eine erste Operation am gebrochenen Oberschenkel hat bereits stattgefunden. Aber der Bruch ist kompliziert. Deshalb steht eine weitere Operation an», erklärte Breukink. Die Oberschenkelfraktur sei momentan das größte Problem. Ob und wann er wieder in den Leistungssport zurückkommen kann, wagt derzeit niemand zu prognostizieren. «Pedro wird noch mindestens acht Tage im Krankenhaus von Bergamo liegen. Danach wird er in seine Heimat transportiert», meinte der Rabobank-Team-Chef.
Ein tragischer Todesfall überschattete den Start in Cuneo. Fabio Saccani, der Motorrad-Chauffeur eines Presse-Fotografen, ist bei der Anfahrt zum Startort bei der Kollision mit einem Lkw tödlich verunglückt. Das berichtete die «Gazzetta dello Sport». Der mit Armstrong gut befreundete Saccani fuhr bereits seinen 32. Giro.