Paris (dpa) - Etappensieg für Heinrich Haussler, Zweiter Platz für Tony Martin auf dem Mont Ventoux, Horror-Stunden für Jens Voigt: Bei der 96. Tour de France lagen Freud und Leid für die deutschen Fahrer dicht beieinander.
Als neuer Hoffnungsträger der zu Magenta-Zeiten einst erfolgsverwöhnten Radsport-Nation präsentierte sich der Cottbuser Martin, der bei seiner Tour-Premiere zwei Wochen das Weiße Trikot trug, am vorletzten Tag nur um drei Sekunden den Etappensieg auf dem Giganten der Provence verpasste und seine Landsleute vom Milram-Team klar in den Schatten stellte. «Martin war herausragend. Das war eine erfreuliche Tour, die auch Mut für die WM macht», bilanzierte Rudolf Scharping, Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), die 23 Tour-Tage. Bester der 15 deutschen Starter war der umstrittene Astana-Fahrer Andreas Klöden, der als Gesamtsechster die Ehrenrunden auf den Pariser Champs Elysées drehte.
Davon war der hochgehandelte Milram-Leitwolf Linus Gerdemann als 24. weit entfernt. Der letzte Deutschland-Tour-Sieger blieb deutlich unter den Erwartungen und verpasste es wie sein in den Sprints oft hinterherfahrender Co-Kapitän Gerald Ciolek, die solide Team-Arbeit mit individueller Klasse zu garnieren. «Mit einem Etappensieg wäre es perfekt gewesen. Das letzte Quäntchen hat gefehlt», räumte Teamchef Gerry van Gerwen vor der Schlussetappe ein. Das Credo der «offensiven und attraktiven Fahrweise», das zu insgesamt 14 Top-Ten-Plätzen führte, hatte aber etwas Gutes: Sponsor Nordmilch sicherte während der Tour erstmals öffentlich zu, den Vertrag bis 2010 zu erfüllen. «Das ist eine Belohnung», meinte van Gerwen.
Auch der 24-Jährige Martin kann der Zukunft spätestens seit der Tour erwartungsvoll entgegensehen. «Ich habe mir einen Namen gemacht», brachte der Columbia-Profi sein starkes Tour-Debüt auf den Punkt. Bis zur ersten Bergankunft in den Alpen verteidigte Martin sein Weißes Trikot des besten Nachwuchsfahrers mit Verve. Erst in der dritten Tour-Woche gingen ihm die Kräfte aus, ehe er auf dem Mont Ventoux noch einmal für Furore sorgte. «Es hätte mich fast erschreckt, wenn ich schon bei dieser Tour unter die ersten Zehn gefahren wäre», sagte der von etlichen Teams umworbene Martin, der künftig «auch mal das Podium» im Blick haben will.
Immerhin für einen kurzen Moment war der oberste Podestplatz dem gebürtigen Australier Haussler vorbehalten. Der Freiburger triumphierte auf der 13. Etappe beim Ritt durchs Elsass und sorgte für den einzigen deutschen Tagessieg. Im kommenden Jahr darf sich der australische Verband über seine Erfolge freuen: Trotz des Buhlens des BDR will Haussler künftig für sein Geburtsland starten.
Ambitionierte Pläne hat auch der unverwüstliche Voigt. «So kann ich ja schlecht aufhören. Ich will auf jeden Fall im nächsten Jahr die Tour fahren», kündigte der Berliner vom Krankenbett aus seinen Start 2010 an. Der 37-Jährige war auf der 16. Etappe in rasender Abfahrt bei Tempo 80 auf den Asphalt geknallt und hatte sich einen Jochbeinbruch und eine Gehirnerschütterung zugezogen. Keinen im Tour- Tross ließen die fürchterlichen Bilder kalt. «Ich habe um sein Leben gefürchtet», sagte Cofidis-Teammanager Eric Boyer.
Fast unbemerkt von deutschen Zuschauern offenbarte der 34-jährige Klöden, immer loyaler Helfer seiner beiden Kapitäne Lance Armstrong und Alberto Contador, noch einmal alte Klasse. Seine Konstanz macht den unter Doping-Verdacht stehenden Wahl-Schweizer, der alle Manipulationsvorwürfe zurückweist, für mehrere Teams interessant und dürfte ihm weiter gute Einkünfte sichern.