Boston (dpa) - Lance Armstrong schweigt. Keine Namen von Komplizen, kein Wort über Mittäter und auch keine Hinweise auf die Ärzte im Hintergrund. Der texanische Dopingsünder setzt im Rechtsstreit mit staatlichen Untersuchungsbehörden der USA weiter auf eine Verschleppungstaktik.
Es geht schließlich um Millionen von Steuergeldern und die finanzielle Zukunft des abgestürzten Radprofis. Bei einer Verurteilung droht dem 43-Jährige sogar die Insolvenz. Da will auf beiden Seiten jeder Zug in diesem juristischen Schachspiel gut überlegt sein. Derzeit herrscht fast Stillstand in der Auseinandersetzung. Für Armstrong-Anwalt Sharif Jacob bewegt sich das Ganze auf eine «Sackgasse» zu.
Bereits im Juni 2010 brachte Floyd Landis das scheinbar unerschütterliche Armstrong-Imperium ins Wanken. Er verklagte seinen Landsmann und ehemaligen Teamkollegen beim Team US Postal - und einige von Armstrongs engsten Vertrauten. Landis, der die Tour de France 2006 gewann, anschließend jedoch des Dopings überführt wurde und somit seinen Titel aberkannt bekam, berief sich auf den sogenannten False Claims Act (Gesetz gegen Betrug zulasten der öffentlichen Hand). Sein Vorwurf: Armstrong und Co sollen die Regierung betrogen haben, indem sie unter dem falschen Vorwand der Einhaltung der Anti-Doping-Richtlinien Sponsorengelder von US Postal bezogen. Das Justizministerium schloss sich später der Klage an.
Armstrong legte im Januar 2013 in der Oprah-Winfrey-Show ein Doping-Geständnis ab und gab zu, bei seinen sieben Tour-de- France-Siegen unerlaubte Mittel genommen zu haben. Sechs der sieben Triumphe errang er im Trikot des United States Postal Service. Der staatliche Konzern sponserte das Radsportteam mit einem Budget von knapp 32 Millionen Dollar. Dass sich die Summe aus Steuergeldern zusammensetzte, macht die Sache für die amerikanische Öffentlichkeit besonders interessant.
Sollten die Untersuchungsbehörden, die auf Schadensersatz klagen, Recht bekommen, könnten sie das Dreifache des gesponserten Geldes zurückverlangen. Armstrongs Anwälte halten dagegen, dass der Konzern durch die Erfolge der Radsportler einen Werbewert hatte, der dem vier- bis fünffachen des gezahltes Geldes entspricht. Von einem Betrag zwischen 138 und 147 Millionen Dollar ist die Rede. Dies sei bestens dokumentiert, heißt es. Ohnehin zweifelt die Armstrong-Seite an, dass US Postal durch die Doping-Praktiken tatsächlich geschädigt wurde und beschuldigt die Bundesbehörde, absichtlich Beweise diesbezüglich zurückzuhalten.
Doch auch die Gegenseite zeigt sich wenig bis gar nicht kompromissbereit. Derzeit versucht Armstrongs Team zu verhindern, dass die Beamten Einsicht in den E-Mail-Verkehr zwischen ihrem Klienten und dem einstigen US Postal-Team-Besitzer, Thom Weisel, bekommen. Der Inhalt der Konversationen könnte nämlich beweisen, dass Weisel von den Doping-Praktiken wusste. Weisel selbst hat dies immer bestritten.
Noch wehrt sich die Armstrong-Seite, den gesamten Austausch preiszugeben und bat stattdessen die Regierungsbehörden, ihre Forderungen auf einen Suchbegriff einzugrenzen. Die Antwort von deren Anwalt David Finkelstein kam prompt: «Unser Suchbegriff ist Mr. Weisels E-Mail-Adresse.» Man wolle sämtlichen Schriftverkehr zwischen Weisel und Armstrong, so Finkelstein unmissverständlich.
Sharif Jacob konterte umgehend und ebenso deutlich. Wenn die Regierung ihre Forderungen nicht weiter spezifiziere, habe man eine Sackgasse erreicht, so der Anwalt. Direkt tauschten sich beide Seiten zuletzt am 31. Oktober aus. Es ist von einer heftigen Debatte die Rede und gegenseitigen Vorwürfen. Die Aufdeckung ist mühselig und ein Prozessbeginn aufgrund des Schneckentempos vorerst nicht in Sicht. Unzählige Datenträger mit mehreren Millionen Einträgen müssen gesichtet werden. Hinzu kommen 250 Akten mit mehreren tausend Seiten an Ausführungen, Beweisen und Aussagen. Armstrong könnte den Fall beschleunigen, doch die abgestürzte Ikone weigert sich bislang, bei der Aufklärung der dunkelsten Ära der Radsportgeschichte mitzuhelfen.