Saint-Fargeau (dpa) - Mark Cavendish bleibt bei der 96. Tour de France der Alptraum der Sprint-Rivalen. Mit seinem vierten Etappensieg düpierte der britische Überflieger einmal mehr die Konkurrenz und kürte sich schon nach der Tour-Hälfte zum alten und neuen Sprintkönig.
Im Vorjahr hatte der Zögling von Columbia-Lehrmeister Erik Zabel für seine vier Tagessiege 13 Etappen gebraucht - diesmal waren es nur elf. Hinter Cavendish, der sich das Grüne Trikot vom diesmal fünftplatzierten Norweger Thor Hushovd zurückholte, erreichten nach dem 192 Kilometer langen Abschnitt der US-Radprofi Tyler Farrar und der Weißrusse Jauhen Gutarowitsch das Ziel in Saint-Fargeau.
«Wenn er so weiter macht, hat er meine zwölf Tour-Etappensiege bald eingeholt», lobte Zabel seinen Musterschüler. Für die Etappe am 16. Juli nach Vittel hielt sich der Altmeister aber mit positiven Prognosen zurück: «Morgen werden wir so eine Vorbereitung für ihn wohl kaum leisten können. So oft hintereinandergeht das nicht.» Milram-Sprinter Gerald Ciolek, der wieder zum Kreis der Geschlagenen gehörte und als bester Deutscher Siebter wurde, sagte fast schon resignierend: «Cavendish ist nicht zu knacken. Die Vorarbeit seines Teams war wieder perfekt.»
Unter den Top Drei der Gesamtwertung blieb nach der zweitlängsten Etappe alles beim Alten: Von Astana-Gnaden darf der Italiener Rinaldo Nocentini weiter das Gelbe Trikot durch Frankreich tragen. Direkt dahinter lauern die Topfavoriten Alberto Contador (+ 6 Sekunden) und Lance Armstrong (+ 8), die spätestens in den Alpen die Verhältnisse zurechtrücken werden. Ihr interner Streit im Astana-Team soll dabei kein Hindernis sein. «Die größte Tragödie wäre es, wenn wir beide den Sieg so sehr wollen, dass ihn sich jemand anderes schnappt», meinte Armstrong. Diese Gefahr ist allerdings sehr überschaubar, da die Konkurrenz bisher nicht einmal ansatzweise dazu imstande war, die beiden zu irritieren.
Auch bei der 11. Etappe hatten die Topfahrer wenig zu tun, es bot sich schnell das gewohnte Bild. Nach 27 Kilometern versuchten Johan van Summeren und Marcin Sapa ihr Glück und das Peloton ließ das belgisch-polnische Duo gewähren. Bei teilweise starkem Rückenwind fuhren die Ausreißer einen Maximal-Vorsprung von knapp vier Minuten heraus. Aber die Sprinterteams kalkulierten wieder auf den Punkt: 5000 Meter vor dem Ziel waren die Flüchtlinge gestellt und der Kampf um die beste Sprintposition konnte beginnen. Und wieder hatte Cavendish in Mark Renshaw den perfekten Wegbereiter und degradierte Hushovd und Co. zu Statisten.
Schon vor der neuen Cavendish-Show gab es im Gesamtklassement etwas Bewegung. Die beiden Deutschen Andreas Klöden und Tony Martin, weiter bester Nachwuchsfahrer, fielen wieder auf die Ränge sechs und sieben zurück. Nach Studium des Zielfilms von der zehnten Etappe entschied die Rennjury vor dem Start am Mittwoch, dass Levi Leipheimer (4.) und Bradley Wiggins (5.) am Vortag doch nicht 15 Sekunden eingebüßt hatten. Wegen eines Sturzes hatte sich in Issoudun das Hauptfeld auf den letzten drei Kilometern geteilt. Die sich daraus ergebenden Zeitabstände wurden nun doch nicht gewertet.
Derweil meldete sich erstmals öffentlich der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy in Sachen Tour zu Wort. Der 54-Jährige tippt auf einen Gesamtsieg von Armstrong und will die Große Schleife in der kommenden Woche besuchen. Zugleich betonte Sarkozy, dass die Tour nicht für die Skandale der Vergangenheit verantwortlich gemacht werden könnte. «Meiner Meinung nach ist die Tour Dopingopfer gewesen und nicht verantwortlich für Doping.»
Neues gab es auch zum Aufreger-Thema Funkverbot. Es deutete sich an, dass der Weltverband UCI erklären wird, dass die umstrittene Neuerung auf der 13. Etappe wohl nicht zum Tragen kommt.