Richmond (dpa) - Weltmeistertitel verloren oder Bronze gewonnen? Lisa Brennauer musste nach ihrem dritten Platz im Einzelzeitfahren bei der Rad-WM in Richmond nicht lange überlegen.
«Ich freue mich auf jeden Fall, bin super glücklich. Die Medaille ist die Bestätigung, dass ich immer noch zur Weltspitze gehöre», sagte die Titelverteidigerin, als sie durch das weiße Interview-Zelt in Downtown Richmond ging.
Einen Strauß gelber Blumen in der linken Hand, die Bronzemedaille um den Hals und ein breites Lächeln im Gesicht - nein, wie eine Verliererin wirkte die Allgäuerin wirklich nicht. Als Brennauer kurze Zeit später neben der neuen Weltmeisterin Linda Melanie Villumsen aus Neuseeland sowie der zweitplatzierten Niederländerin Anna van der Breggen bei der Pressekonferenz saß, war sie die Gesprächigste des Trios, antwortete ausgiebig und wirkte rundum zufrieden.
Und die 27-Jährige sorgte bei den rund 40 Medienvertretern für ein Schmunzeln, als sie verriet, dass ihr Trainer Ronny Lauke sie via Funk mit einigen Kraftausdrücken gepusht habe. «Das habe ich am Ende gebraucht, denn das Rennen war so knapp, da benötigt man einfach diese extra Motivation», erzählte Brennauer.
Nach 29,9 Kilometern auf dem zweimal zu umrundenden Stadtkurs fehlten ihr in der Hauptstadt von Virginia 5,26 Sekunden zu Villumsen. Die gebürtige Dänin, die seit 2009 neuseeländische Staatsbürgerin ist, war als Neuntletzte der 44 Fahrerinnen gestartet und hatte bis auf die erste Zwischenzeit nach sieben Kilometern jeweils die Bestmarke. «Meine Taktik ist einfach: «Fahr so lange du kannst so schnell du kannst»», sagte Villumsen.
Als sie mit einer Zeit von 40:29:87 Minuten ins Ziel kam, begann für die 30-Jährige der schwerste Teil des Wettkampfes. «Jede Minute Warten ist eine harte Minute», betonte Villumsen, die in ihrer Karriere bereits zwei Silber- und drei Bronzemedaillen im Zeitfahren gewonnen hatte.
Van der Breggen verpasste die Bestzeit um 2,54 Sekunden, aber die deutsche Titelverteidigerin, die als Letzte auf die Strecke ging, war ja noch unterwegs. Acht Kilometer vor dem Ziel betrug Brennauers Rückstand knapp 16 Sekunden, doch die Bayerin («Zwischenzeiten sind ein toller Richtwert, mehr aber auch nicht») wurde auf dem Schlussabschnitt immer schneller. Bereits am Vormittag hatte sie beim Triumph des Hannoveraners Leo Appelt im Junioren-Rennen gesehen, dass «auf der zweiten Runde noch alles drin ist».
Auf der langen Zielgeraden kam von Ronny Lauke aus dem Betreuer-Fahrzeug der Hinweis «noch eine Minute bis zur Goldmedaille». Brennauer biss die Zähne zusammen, versuchte, ihre aerodynamische Position so gut es ging beizubehalten. «Noch 15 Sekunden bis Gold», schrie Lauke wenig später. Sein Schützling ging aus dem Sattel, gab alles. «Ich habe einfach zum Zielstrich gestarrt und getreten», so Brennauer. Als die Uhr für sie nach 40:35:13 Minuten stoppte, waren die Qualen vorbei - und für Villumsen hatte das Zittern ein Ende. Sie versteckte zunächt ihren Kopf in den Händen und riss dann beide Arme jubelnd in die Höhe.
Auch Brennauer freute sich, als sie nach der Pressekonferenz das riesige Convention Center Richtung Teamhotel verließ. Am Samstag steht zwar das Straßenrennen an, doch Zeit für eine kleine Feier nahm sie sich trotzdem. «Bei einer Medaille kann man schon mal kurz anstoßen, aber dann gilt der volle Fokus auf Samstag.» Dann startet sie als Vizeweltmeisterin des Vorjahres - und zählt wieder zum Favoritenkreis.