Berlin (dpa) - Lance Armstrong steht vor dem Ruin: Unter dem Druck massiver Doping-Anschuldigungen trat der Texaner als Vorsitzender seiner Krebsstiftung «Livestrong» zurück. Fast zeitgleich kündigte sein Hauptsponsor Nike den langjährigen Vertrag mit der gestürzten Rad-Ikone.
Der Sportartikelgigant fühle sich seit «mehr als einem Jahrzehnt» getäuscht, hieß es in einem Statement vom Mittwoch. Wenig später kündigte die Brauerei Anheuser-Busch an, ihren Ende des Jahres auslaufenden Vertrag mit der einstigen Rad-Ikone nicht zu verlängern.
Armstrong drohen ein Meineid-Prozess, Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe und die Aberkennung seiner sieben Tour-de-France-Titel durch den Radsport-Weltverband UCI. Es wird immer einsamer um den 41-Jährigen, der selbst als Chef seiner wohltätigen Stiftung keine Zukunft mehr hat. Nach fünfjähriger Tätigkeit an der Spitze wolle er der Organisation durch seinen Rücktritt «jegliche Negativeffekte ersparen», erklärte Armstrong in einem Statement.
1997 hatte er die «Lance Armstrong Foundation» ins Leben gerufen. Seitdem hat die Stiftung fast 500 Millionen Dollar zur Unterstützung von Krebskranken gesammelt. Armstrongs Tauglichkeit als glaubwürdiges Aushängeschild der eigenen Stiftung hat nicht erst seit der Enthüllungen durch die US-Anti-Doping-Agentur UASDA Organisation vor genau einer Woche schwer gelitten.
Auch Nike ist - bereits seit 2004 - einer der zahlungsfreudigen Förderer der Foundation und hat sogar das weltweit sehr populäre gelbe «Livestrong»-Armband entworfen. In einer Pressemitteilung war dem Sportartikelhersteller der Unmut anzumerken, jahrelang auf Armstrongs Lebenslüge hereingefallen zu sein. Wegen «der scheinbar unüberwindbaren Beweise, dass Lance Armstrong in Doping verstrickt war und Nike seit mehr als einem Jahrzehnt getäuscht hat» sah sich die Firma gezwungen, den Vertrag mit Armstrong zu beenden, teilte das US-Unternehmen mit. Sogar Armstrongs Name soll von einem der Gebäude im Firmenhauptsitz in Beaverton/Oregon entfernt werden. Das Engagement mit «Livestrong» laufe dagegen weiter. Auch Anheuser-Busch will die Stiftung weiter unterstützen.
An diesem Wochenende will die «Lance Armstrong Foundation» mit einem großen Festakt und zahlreichen Stargästen ihr 15-jähriges Bestehen feiern. Armstrongs öffentliche Demontage kommt zur Unzeit. Die mehr als 1000-seitigen USADA-Akten, seit einer Woche öffentlich, haben mafiöse Strukturen skizziert und den vermeintlichen Gutmenschen als besessenen Egomanen, der für den eigenen Erfolg selbst treue Wegbegleiter mit brutalen Methoden viele Jahre unter Druck gesetzt hat. Das Dossier belegt nicht nur Armstrongs Besitz und Gebrauch von EPO, Bluttransfusionen, Testosteron, Steroid- und Wachstumshormonen sowie maskierenden Substanzen, sondern auch Dopinghandel und Versorgung von anderen Fahrern.
Ethisch-moralisch scheint Armstrong am Ende, sein finanzielles Desaster kaum mehr abzuwenden zu sein. Die US-Versicherungsfirma SCA will ihn vor Gericht zerren und wegen Meineids verklagen. SCA hatte Armstrongs Tour-Siegprämien für 2002 bis 2004 wegen Dopings nicht zahlen wollen, dann aber ein Schiedsverfahren gegen ihn verloren. Jetzt soll die Retourkutsche folgen. Auch zahlreiche Medienhäuser, die in juristischen Streitereien gegen Armstrong das Nachsehen hatten, kündigten Klagen in Millionenhöhen an.
Der historische Absturz des «Weltrekord-Dopers» («New York Daily News») geht in rasantem Tempo weiter. Die UCI hat jetzt noch zwei Wochen Zeit, ihre Strafen auszusprechen und ihm wie erwartet alle sieben Erfolge bei der Frankreich-Rundfahrt abzuerkennen. Armstrongs Image als tapferer Rad-Hero, der nach überstandenem Krebsleiden zum unverwundbaren Champion wurde, ist längst zerstört. «Es ist traurig und tragisch für die Millionen von Krebsüberlebenden, die er mehr als ein Jahrzehnt getäuscht hat. Seine Stiftung war noch nie so gefährdet wie jetzt», kommentierte die Zeitung «USA Today». Die «Denver Post» forderte Armstrong in einem Online-Kommentar auf: «Mach es endlich. Gestehe!»