Paris (dpa) - Die wieder aufgeflackerte Liebe zwischen Lance Armstrong und der Tour de France hat sich für den 37 Jahre alten Texaner - sportlich - nicht ausgezahlt. Ein weiteres «Wunder» gelang dem geheilten Krebspatienten, der die Sport-Welt seit seinem ersten Toursieg 1999 in Atem hält, nicht.
Platz drei und die Verbeugung des ihm gewogenen Veranstalters mussten reichen. Nach seiner Fahrt auf den Mont Ventoux zog die «L'Équipe» den Hut vor dem Texaner und titelte: «Chapeau». Der Triumph Nummer acht war außer Reichweite: Zu groß war die Überlegenheit seines ihm in Rivalität verbundenen Team-Kollegen Alberto Contador, zu gewaltig der Sprengstoff der gestörten Harmonie in der Astana-Mannschaft. Trotzdem hat der siebenfache Toursieger, der den zehn Jahre jüngeren spanischen Tour-Matadoren weder in den Pyrenäen, den Alpen und auch nicht im Zeitfahren im Zaum halten konnte, noch nicht genug.
«Im nächsten Jahr komme ich wieder und werde stärker sein», versprach der nimmermüde Armstrong, der schon jetzt mit seinem zukünftigen Radio-Shack-Team unter den Fittichen seines alten Mentors Johan Bruyneel zum Generalangriff auf Contador blies. «Ich kann noch ein bisschen leiden», versprach Armstrong und verriet damit vielleicht einen wichtigen Antrieb für sein überraschendes Comeback, zu dem er sich im September 2008 durchgerungen hatte. Seine Leidensfähigkeit ist immer noch nicht ausgereizt. Zudem entpuppten sich der erstmals gefahrene Giro d'Italia und die Tour als ideale Werbe-Plattformen für seine weit verzweigte Krebs-Stiftung «Livestrong», die erhebliche Mittel generiert.
Die 96. Tour brachte dem Rückkehrer, dem beständig ein Absprung in die Politik nachgesagt wird, wenn sein radsportlicher Ehrgeiz erlahmt sein sollte, aber auch eine ihm völlig neue Erkenntnis: Sie hat ihn gelehrt zu verlieren. Und «der alte Mann», wie die «L'Équipe schrieb, trug die Niederlagen bei dieser Tour nach seinem einzigartigen Triumphzug von 1999 bis 2005 nach vierjähriger Frankreich-Abstinenz mit Fassung und Ironie. «Nicht schlecht für einen alten Sack wie mich», kommentierte er seinen hartumkämpften Podiums-Platz in Paris.
Armstrong und die Tour: Einer kann nicht ohne den anderen und deshalb breiten zumindest die Organisatoren dem umstrittenen Texaner auch 2010 wieder die Arme aus. Nicht alle sind von diesem Plan so begeistert wie die Tour-Chefs, die längst nichts mehr wissen wollen von den sechs positiven Nach-Kontrollen auf EPO von 1999, mit denen Armstrong 2005 aus Frankreich verabschiedet wurde. «Bei seinem ersten Toursieg vor zehn Jahren war er knattervoll», meinte der Anti-Doping- Aktivist Werner Franke in der ihm eigenen Terminologie.
«Mir geht der Rummel um Armstrong ziemlich auf die Nerven. Aber jeder bekommt eben den Radsport, den er verdient», hatte Cofidis- Team-Chef Eric Boyer mit Blickrichtung Tour-Organisation ASO bereits nach den ersten Tagen erklärt. Linus Gerdemann, Vertreter der «neuen Generation», sind die Aktivitäten des unermüdlichen Armstrong, der im September 38 Jahre alt wird, ziemlich egal: «Wenn er sich noch sportlich in Frankreich betätigen will - dann soll er doch.»
Im Boxen haben nur ganz wenige Fighter das Gesetz «They will never come back» erfolgreich gebrochen. Armstrong versucht es im nächsten Jahr wieder, aber mit welchen Perspektiven, wenn er schon auf dieser Ehrenrunde - gemessen an seinen hohen Ansprüchen - scheiterte?