Roubaix (dpa) - Der Auftrag von Söhnchen Leo ist unmissverständlich. «Er hat mir gesagt, in Roubaix holen wir uns den zweiten Pflasterstein», berichtet John Degenkolb vor seiner Rückkehr zum gefürchteten Frühjahrsklassiker Paris-Roubaix am Sonntag.
Nur zu gern würde der Thüringer seinen historischen Triumph von 2015 auf der ehrwürdigen Betonpiste im Velodrome wiederholen, als er für den ersten deutschen Sieg nach 119 Jahren gesorgt und einen großen Pflasterstein als Siegerpokal überreicht bekommen hatte. «Das war der schönste Tag in meiner Karriere. Das waren Emotionen, die man sonst nicht erlebt.»
Für Degenkolb ist es in diesem Jahr quasi die Titelverteidigung, nachdem er im vergangenen Jahr wegen seines schlimmen Trainingsunfalls mehrere Monate zum Zuschauen verurteilt war. «Den Unfall habe ich voll und ganz hinter mir gelassen. Ich glaube, dass ich zum erweiterten Favoritenkreis gehöre. Ich brauche mich nicht zu verstecken», sagte Degenkolb der Deutschen Presse-Agentur. Für den 28-Jährigen ist die Tortur über 257 Kilometer, davon 55 über das gefürchtete Kopfsteinpflaster das Highlight des Jahres.
So richtig zufrieden ist Degenkolb mit seinem Frühjahr noch nicht, auch wenn er mit zwei siebten Plätzen bei Mailand-Sanremo und der Flandern-Rundfahrt durchaus seine Klasse bewiesen hat. Doch bei seinem neuen Team, der amerikanischen Mannschaft Trek-Segafredo sind die Ansprüche andere. Schließlich ist Degenkolb als Nachfolger des zurückgetretenen Klassikerkönigs Fabian Cancellara geholt worden. Er sei sofort gut aufgenommen worden. «Ein super professionelles Team» sei Trek, er habe einen Schritt nach vorne gemacht.
Das soll sich auch endlich in Ergebnisse widerspiegeln, am besten am Sonntag in der sogenannten Hölle des Nordens. «Für mich ist es noch nicht an der Zeit Bilanz zu ziehen, das mache ich nach Roubaix», sagt Degenkolb, der bislang einen Sieg bei der Dubai Tour in 2017 eingefahren hat. Will er einen zweiten beim Rennen über die gefürchteten Pavés hinzufügen, muss er namhafte Konkurrenz besiegen. Insbesondere Weltmeister Peter Sagan (Slowakei) vom deutschen Bora-hansgrohe-Team und der Olympiasieger Greg van Avermaet (Belgien) präsentieren sich in diesem Frühjahr in herausragender Verfassung.
Dazu kommt noch Tom Boonen. Der belgische Radstar beendet am Sonntag bei Paris-Roubaix nach 16 Profijahren seine Karriere. «Er wird super motiviert sein», meint Degenkolb. Boonen könnte mit einem fünften Sieg in Roubaix als alleiniger Rekordsieger von der Bühne abtreten. Ein starkes Quick-Step-Team soll ihm dabei helfen.
Im vergangenen Jahr war Boonen als Zweiter knapp am Sieg vorbeigefahren. Damals gehörte der deutsche Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin noch zu seinen Helfern, inzwischen ist Martin zu Katusha gewechselt. Paris-Roubaix hat Martin inzwischen lieb gewonnen, nachdem er jahrelang die Klassiker gemieden hatte. Spätestens mit seinem Erfolg auf der Kopfsteinpflaster-Etappe der Tour de France nach Cambrai 2015, hat auch Martin bewiesen, dass er auf den mittelalterlichen Feldwegen zurechtkommt.