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Radsportfotograf Hennes Roth geht nächste Woche in Rente. Foto mitte: Hennes Roth mit U23-Weltmeister Ciolek. Foto unten: H. Roth auf einem Begleitmotorrad. Fotos: Archiv/Roth
26.12.2013 09:02
Hennes Roth: Ganz kann er von der Kamera nicht lassen

Köln (rad-net) - Mit dem Münsterland-Giro als letztem Rennen hat sich Hennes Roth Anfang Oktober in den Ruhestand verabschiedet. Ganz liegen lassen kann Deutschlands bester Radsportfotograf seine Kamera aber noch nicht.

«Offiziell gehe ich ab 1. Januar in Rente», sagt der 63-Jährige im Gespräch mit «rad-net». Bis zum Jahresende stehen noch Eishockey bei den Kölner Haien und Handball-Bundesliga beim VfL Gummersbach auf dem Programm. Für den Pulheimer sind diese Termine zum Fotografieren die reinste Erholung. Kurze Anfahrt, ein überschaubares Spielfeld, ein Platz im Trockenen, nachts wieder zu Hause.

Mehr als 40 Jahre lange hatte Hans-Alfred Roth, von allen nur Hennes genannt, das komplette Gegenteil. Fast das ganze Jahr war er in Sachen Radsport unterwegs, begleitete das Peloton bei Wind und Wetter als Beifahrer auf dem Motorrad. Er war der Mann mit dem Blick fürs Besondere, immer ganz nah dran am Peloton und den Fans.

So wie bei der Weltmeisterschaft 1995 in Kolumbien, die für ihn eine der schönsten Erinnerungen darstellt. «Da waren viele Zuschauer mit ihren Kindern an der Strecke, für die ich kleine Geschenke hatte. Bei einer Familie mit drei Kindern hatte ich aber nur noch zwei Sachen, eine Nadel und eine Mütze vom BDR», sagt Roth. Die Eltern wollten den herzlichen Rheinländer anschließend trotzdem nicht mehr gehen lassen. «Während des Rennens musste ich mit denen Mittagessen. Jedes Kind hatte die Mütze dann im Wechsel für eine Viertelstunde auf», erzählt Roth lachend.

Aber auch der U23-Weltmeistertitel von Gerald Ciolek gehört zu den schönsten Erinnerungen. «Die ganze Familie Ciolek kenne ich schon eine kleine Ewigkeit, Gerald war da noch ein Kind. Mein jüngster Sohn hat 10 Jahre mit Geralds Bruder Robert zusammen Fußball gespielt», so Roth. «Als Gerald dann in Salzburg den WM-Titel gewann und ich den Moment mit meiner Kamera einfing - auch später bei der Siegerehrung - war das schon ein ganz besonderer Moment», erinnert sich der Pulheimer an den 23. September 2006.

In Japan verpasste er einmal den Pressebus und fuhr seinen Kollegen per Anhalter hinterher. Japanisch sprach Roth nicht, der Fahrer kein Englisch. Trotzdem gelangten sie ans Ziel, kommunizierten mit Händen und Füßen. «Die Kollegen hatten mich schon vermisst gemeldet. Als ich vors Hotel gefahren wurde und mir der Japaner auch noch die Tür aufgehalten hat, haben sich die Kollegen kaputtgelacht», erinnert sich Roth.

Zum Lachen war der Knochenjob aber nicht immer. Mehr als vier oder fünf Stunden Schlaf pro Nacht saßen bei der Tour de France oder einer Bahn-Weltmeisterschaft nie drin. Morgens war er stets der Erste am Start, abends der Letzte im Pressezentrum. Doch Roth nahm seinen Beruf stets mit Humor und brachte unendlich viel Leidenschaft für den Radsport mit. «Es gibt kaum eine Sportart, die schönere Bilder liefert. Der Sport selbst ist schön, dazu die Natur», sagt Roth.

Dennoch rät er heutzutage niemandem dazu, als Einzelkämpfer in dieses Geschäft einzusteigen. Seinen Söhnen Markus (37) und Michael (29) hat er sogar davon abgeraten. «Sie hätten es gerne komplett übernommen, aber der Beruf des Sportfotografen als Einzelner wird nicht einfacher», weiß Roth. Die Krise der Zeitungsbranche, sinkende Etats, all das macht das Überleben im Schatten der großen Fotoagenturen zum täglichen Existenzkampf. Roth muss diesen glücklicherweise nicht mehr führen. Stattdessen backt er lieber Weihnachtsplätzchen mit seiner dreieinhalbjährigen Enkelin Anouk oder geht mit ihr und dem anderthalbjährigen Enkel Jonah ins Weihnachtspuppentheater. Oder er verbringt Zeit mit seiner Frau Brigitte. Sie seien die letzten zwölf Jahre nicht mehr im Urlaub gewesen, sagt Roth. Lust dazu habe er auch gar nicht verspürt. «Wenn man das ganze Jahr so viel unterwegs ist, will man einfach mal zum Italiener gehen oder die Sportschau gucken.»

Das alles kann er demnächst tun. Seine Söhne werden das umfangreiche Archiv verwalten. Ihn selbst werden seine Fotos auch weiterhin beschäftigen. Zwei Räume sind zu Hause in Pulheim voll mit mehr als einer Million Schwarzweiß-Negativen und Dias. Einzigartige Dokumente der Radsportgeschichte. «Die werde ich mir phasenweise vornehmen, so wie ich Zeit und Lust habe», sagt Roth. Bei der Digitalisierung per Scanner stößt der preisgekrönte Fotograf immer wieder auf tolle Erinnerungen. «Die WM in Kolumbien, Ullrich in Gelb und Zabel in Grün. Oder wenn die Fahrer bei Paris-Roubaix ins Stadion einfahren, die Zuschauer stehen auf und fangen an zu klatschen. Das ist bis heute ein Erlebnis, da bekomme ich sofort Gänsehaut.» So wie viele Radsportfans und Fahrer beim Betrachten seiner Bilder.

Ab und zu will er auch in Zukunft noch die Kamera in die Hand nehmen. «Guten Bekannten helfe ich gerne nochmal, wenn einer ein paar Bilder haben will», betont er. Doch als Rennbegleiter auf dem Motorrad werden die Sportler ihn nicht mehr erleben. Die Tour de France 2014, das steht bereits fest, verfolgt er am Fernseher - mit seiner Frau im Wanderurlaub in den Dolomiten. An der Rennstrecke wird Roth aber weiterhin dabei sein. Und nicht nur dort. «Ich werde zu Sportveranstaltungen als stinknormaler Zuschauer gehen, ob Handball, Fußball, ganz egal. Das konnte ich 40 Jahre nicht. Ich glaube, das ist mal ganz angenehm», sagt er. Hennes Roth hat es sich verdient.

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