Leipzig (dpa) - Sieben Jahre nach seinem Rückzug aus der großen Politik steckt Rudolf Scharping (61) wieder mitten im Wahlkampf. Zum ersten Mal seit 60 Jahren wird der Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) in einer Kampfabstimmung gewählt.
Schauplatz der Wahl am 21. März in Leipzig ist ein großes Hotel in Bahnhofsnähe. Als Scharpings Gegenkandidat tritt der 58-jährige Miesbacher Orthopäde Dieter Berkmann, Olympiateilnehmer 1976, an. Zwar haben Sportpolitiker und einige prominente Aktive eindeutig Stellung gegen den umstrittenen Scharping und seinen Sport-Direktor Burkhard Bremer bezogen, die Zeichen deuten aber wohl auf die Wiederwahl des ehemaligen Verteidigungsministers aus Niederelbert im Westerwald.
Gewisse rhetorische Stärken, schon früh erarbeitete Lobbyisten-Routine und der relativ geringe Bekanntheitsgrad des Ex-Bahnfahrers Berkmann sprechen für Scharping, der dem BDR seit 2005 vorsteht. Brächte der als Firmenberater besonders in China engagierte Scharping nur die nach Mitgliederzahl stärksten fünf der 17 Landesverbände - Nordrhein-Westfalen, Württemberg, Bayern, Hessen, Pfalz - hinter sich, wäre das Rennen zu seinen Gunsten gelaufen. Im Wahlkampf schenkten sich beide Kandidaten nichts. Nicht nur Bremer sprach von einer «Schlammschlacht».
Wie ein unbeirrt vom Sieg überzeugter Kandidat fährt Berkmann jedenfalls nicht nach Leipzig, wo am Vortag der Wahl die 125-Jahr-Feier des Verbandes begangen wird. «Es sieht wohl für uns nicht so rosig aus. Herr Scharping hat nach wie vor viele Kontakte in viele Verbände und Einfluss auf die Delegierten. Aber vielleicht schaffen wir trotzdem die notwendige Wende. Zumindest haben wir schon viel bewegt und den Laden in Schwung gebracht. So einen regen Schriftwechsel zwischen Dachverband und den Landesverbänden wie in den letzten Wochen gab es in vier Jahren nicht», sagte Berkmann der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Die Liste der Scharping-Verfehlungen aus seiner Sicht wollte der wackere Herausforderer aus Bayern nicht wiederholen und verwies auf Zeitungs-Interviews der vergangenen Wochen: Widersprüchliche Anti-Doping-Politik, abgesprungene Sponsoren, die den Verband zu einem rigorosen Sparkurs zwingen, Niedergang des Bahnradsports, organisatorische Mängel im Verband und fehlendes Fingerspitzengefühl gegenüber Aktiven sind in der Hauptsache die Vorwurfspunkte.
Mit einem Schachzug will Scharping den heftigst attackierten Bremer, der von dem Ex-Politiker vor Beginn der Olympischen Spiele in Peking noch mit einem Vertrag bis zum Rentenantritt 2010 versehen wurde, aus der Schusslinie nehmen. Ein neu zu wählender Vize-Präsident Leistungssport könnte den Berliner Funktionär bremsen und beaufsichtigen. «Das war mein Vorschlag», merkte Berkmann an.
Nicht nur bei Aktiven - die Olympiasieger Sabine Spitz und Robert Bartko sowie Weltmeisterin Hanka Kupfernagel gehören zu den Haupt-Kritikern und hielten mit klaren Worten nicht hinter dem Berg - fällt der BDR in seiner jetzigen Aufstellung durch. Auch die Sportpolitiker, die dem BDR nach den Doping-Vorkommnissen im Vorjahr die Mittel kürzen wollten, zählen zur Opposition. Peter Danckert, der Sportausschuss-Vorsitzende des Bundestages, und der Grünen-Abgeordnete Winfried Hermann hatten Bremers seit Jahrzehnten bestehende exponierte Stellung (Hermann: «in der heißen Zeit des Dopings») scharf kritisiert. Mit diesen und anderen Äußerungen beschäftigen sich jetzt Rechtsanwälte.